Das Letzte kommt zuerst!
Als die Entwickler von Playtonic vor einigen Jahren das Spiel Yooka Laylee angekündigt haben, war die Freude bei einer bestimmten Gruppe Gamer groß. Denn das ungleiche Duo bestehend aus einem Chamäleon und einer Fledermaus war ganz klar inspiriert vom genialen N64 Duo Banjo Kazooie. Leider konnte das vorher als „Banjo Threeie“ bezeichnete Spiel nach Meinung von vielen nicht an die Vorlage heranreichen – obwohl viele Entwickler von damals mit an Bord waren.
Etwa zweieinhalb später startet ein neuer Versuch, dieses Mal jedoch ganz bewusst nicht mit einer expliziten Inspiration. Anders als im ersten Teil sind das Chamäleon und die Fledermaus nun primär in 2D unterwegs – aber nicht nur. Doch eins nach dem anderen. Nachdem die beiden Helden Capital B im ersten Teil besiegt hatten, war erstmal alles gut. Doch jetzt ist er wieder da und will mit seinem Gedanken-Kontroll-Stab alle Bienen im Royal Stingdom versklaven. Die Königin bittet das Duo um Hilfe und genau da steigen wir ein.
Ein unschaffbares Versteck!
Los geht’s direkt im namensgebenden Impossible Lair, in Deutsch das Unmögliche Versteck. Dort stehen wir direkt Capital B gegenüber. Gelingt es uns, ihn in die Flucht zu schlagen und anschließend das Level zu schaffen (was auch bedeutet, ihm noch öfter auf die Nerven zu gehen), dann hat man ihn bereits erfolgreich aufgehalten und das Spiel geschafft. Abspann. Ende. Vielen Dank fürs Spielen!
Wenn es nur mal so einfach wäre… Dann wäre das Spiel nicht nur ziemlich kurz, sondern auch verdammt unfair. Denn das Level trägt seinen Namen nicht ohne Grund. Es ist gefühlt endlos lang, hat unterwegs keine Checkpoints und strotzt nur so vor Fallen, Abgründen und Gegnern. So führt ein Fehler zum quasi unweigerlichen Scheitern. Und danach beginnt das Spiel zum Glück erst so richtig. Königin Phoebee hat ihre königliche Armee durch den Gedanken-Kontroll-Stab von Capital B verloren. Und statt sie alle für sich einzusetzen, hat er einige davon so im Spiel versteckt, dass wir sie befreien können: In der Oberwelt und in den diversen Levels. Wenn Yooka und Laylee sie befreien, dann helfen sie dem Duo im unmöglichen Versteck. Dabei sind in jedem der 20 Levels jeweils zwei Bienen versteckt und auch in der Oberwelt gibt es noch acht Stück zu finden.
In Summe können die beiden dann also 48 Treffer mehr einstecken, wenn sie das letzte Level ganz zum Schluss spielen. Damit ist es wesentlich weniger unmöglich. Aber immer noch schwer. Und immer noch lang. Und immer noch ohne Checkpoints. Und der Weg hin zu den 48 Bienen ist weit.
2D plus 3D = 5D?
Während die Levels, wie schon gesagt, nun in zwei Dimensionen spielen und somit Spielen wie Donkey Kong Country Returns oder Rayman Legends ähneln, gibt es auch eine Oberwelt, die komplett in drei Dimensionen spielt. Dort fangen wir nach dem Scheitern im letzten Level dann auch direkt an. Die beiden Helden werden per linkem Stick durch die Umgebung gesteuert, setzen B zum Springen und Y zum Rollen ein. X kommt zum Einsatz, um mit den NPC zu interagieren.
Die in der Oberwelt platzierten Levels in Form von Büchern gilt es zunächst einmal zu erreichen, um sie betreten zu können. Manchmal ist das ganz leicht, weil sie uns quasi vor die Füße fallen und manchmal ist es schwer sie zu finden und / oder zu erreichen. Dabei sind es nicht nur teils versteckte Schalter oder Wege, die es zu überwinden gilt. Es gibt auch zum Beispiel Paigie, eine Buchseite, die uns eine kurze Herausforderung in Form eines 2D-Anschnittes stellt. Dort müssen wir alle Gegner besiegen, bevor man selbst ins Gras beißt. Dann wird anschließend die Oberwelt verändert und so öffnen sich neue Wege.
Es gibt auch hier und da Pflanzen, von denen man mit Hilfe der rechten Schultertaste eine Frucht ins Maul nehmen kann. Diese haben dann je nach Pflanze unterschiedliche Effekte, wenn wir sie wieder wegwerfen. Es gibt zum Beispiel Bomben, Wasser, Feuer und Eis. Mit den Bomben lassen sich Wege freisprengen und Wasser lässt an bestimmten Stellen neue Pflanzen wachsen. Daneben gibt es noch Sprungpflanzen, mit denen das Duo deutlich höher springen kann. Dank dieser wirklich umfangreichen Dinge können wir uns auf der Oberwelt wirklich lange aufhalten und viele Geheimnisse entdecken. Neben den schon erwähnten acht dort versteckten Bienen auch noch Tonika.
Diese insgesamt 62 Extras in Form von mal mehr und mal weniger gut versteckten Erlenmeyerkolben sind mit einer Flüssigkeit gefüllt, mit denen man die 2D Levels verändern kann. Doch finden reicht dazu nicht, wir müssen sie auch noch kaufen. Dazu brauchen wir Federn, die Währung im Spiel, die wir in den 2D Levels einsammeln müssen. Neben den normal herumliegenden Federn gibt es auch große, die 10 Federn wert sind und besondere Federn, mit deren Hilfe man besonders viele einsammeln kann, wenn man sich schlau anstellt. Also zum Beispiel lange in einem gefährlichen Abschnitt verbleibt, wo ganz viele Federn nach und nach verteilt werden.
Doch die sind nur einer von zwei Sammelgegenständen in den Levels. In jedem Kapitel sind auch fünf Münzen versteckt, die ihr einsammeln solltet. Denn in der Oberwelt treffen wir hin und wieder auf Paywalls, die nur geöffnet werden, wenn wir genug Münzen dabeihaben. Insgesamt 200 gibt es im Spiel zu finden. Um alle Levels zu erreichen, brauchen wir allerdings nur knapp 80 Stück davon – der Rest hat aber auch noch eine Daseinsberechtigung. Allerdings ist der letzte Sprung recht hoch. Bei 101 Münzen passiert das letzte Mal was, die nächste Stufe sind dann 200. Ein hartes Stück Arbeit.
Von links nach rechts – oder so!
Und damit komme ich nun endlich zum Gameplay in 2D, dem Hauptbestandteil des Spiels. Auch hier steuern wir die beiden Helden mit dem linken Stick und nutzen B, Y und die rechte Schultertaste. Das Ganze ist wesentlich dynamischer als in der Oberwelt, Yooka kann höher springen und schneller rollen. Außerdem kann man auch im Rollen einen Sprung einsetzen, und so besonders knifflige Passagen überwinden. Werden wir von einem Gegner getroffen oder berühren ein Hindernis, dann fliegt Laylee weg. Bei einem weiteren Treffer gibt auch Yooka auf und wir müssen zurück zum letzten Checkpoint. Doch Laylee ist nach einem Treffer nicht sofort weg, sie flattert noch eine Weile durch die Gegend. Erreichen wir sie in dieser Zeit mit Yooka, dann klammert sie sich wieder an ihm fest und es kann ganz normal weitergehen.
Wir rennen und hüpfen also durch die abwechslungsreichen 20 Levels, springen Gegnern auf dem Kopf, rollen unter Hindernissen hindurch und erreichen am Ende hoffentlich die gefangene Biene. Moment? Waren da nicht zwei in jedem Level? Richtig, gut aufgepasst!
20 x 2 = langweilig?
Jedes Level hat nämlich zwei Versionen, beide mit jeweils fünf Münzen und einer eigenen Biene am Ende. Aber müssen wir deshalb jedes Levels zwei Mal spielen? Ja, müssen wir. Allerdings mit deutlichen Unterschieden. Denn durch gewisse Ereignisse, die wir in der Oberwelt auslösen, verändern sich die Levels nämlich teils so deutlich, dass sie kaum wiederzuerkennen sind. Ein paar Beispiele:
Schaffen wir es, eine Lüftung zu reparieren, dann pustet diese von unten Wind ins Level hinein, plötzlich gibt es überall Aufwinde, die neue Bereiche zugänglich machen. Oder finden wir den Angler, der seine Angel am Anfang des Spiels hat liegen lassen, dann kommt er zurück und angelt eine ganze Stadt aus einem Level raus. Übrig bleibt in der zweiten Version totales Chaos und Zerstörung. Oder drehen wir in der Oberwelt ein Level auf den Kopf, dann können wir es in 2D ebenso auf dem Kopf spielen. Also, was vorher oben war ist nun unten und umgekehrt. Oder ein Level in einem zunächst ausgetrockneten Flussbett wird überschwemmt. Auf einmal ist es ein Unterwasser-Level. Und zum Glück können die beiden Helden auch schwimmen und müssen unter Wasser keine Luft holen. Oder ein NPC auf der Oberwelt flutet ein Level mit zähnefletschenden Gegnern, so dass wir die Beine in die Hand nehmen und rennen müssen.
Wie die Entwickler schon in unserem Gamescom-Interview gesagt haben, haben sie viel Energie darauf verwendet, dass sich die zweiten Versionen genug „neu“ anfühlen, man aber trotzdem erkennt, dass es dasselbe Level ist. Das ist ihnen in meinen Augen sehr gut gelungen, auch wenn sie es für mich an zwei Stellen etwas übertrieben haben. Wer aber das unmögliche Versteck schafft, den sollte auch ein Level mit einer pfeilschnellen Feuerwand oder eins gefüllt mit Kreissägen locker schaffen. Und wird es hier oder da doch mal zu schwer, dann bietet uns das Spiel nach ein paar gescheiterten Versuchen an, den Abschnitt bis zum nächsten Checkpoint zu überspringen. Dieses Angebot kam bei mir recht häufig.
Allerdings nicht, weil ich so oft aus Versehen gestorben bin, sondern weil ich es tun wollte. Um die fünf Münzen zu erreichen, müssen wir uns hier und da echt anstrengen. Zum Beispiel, einem Gegner genau im richtigen Moment auf den Kopf springen und den Schwung nutzen, um eine sonst zu hoch liegende Plattform zu erreichen. Gelingt das nicht im ersten Versuch und der Gegner ist besiegt, gibt es nur einen Weg: sterben und nochmal versuchen. Das nervt vor allem an schweren Stellen, die weit vom letzten Checkpoint entfernt sind. Aber da wir zum Glück nicht alle Münzen in jedem Level brauchen, müssen wir es damit auch nicht übertreiben. Außer natürlich wir wollen alles sammeln.
Und damit komme ich zurück zu den Tonika, mit denen ich eben in das Thema Sammelgegenstände eingestiegen bin. Hat man ein Tonikum gefunden und gekauft, dann können wir damit die 2D Levels verändern und uns damit das Leben leichter, schwerer oder einfach nur anders machen: mehr Checkpoints, langsamere Bewegungen, schneller schwimmen, gespiegelter Bildschirm, vertauschte Controller-Knöpfe, VHS-Grafik oder Cartoon-Look sind nur einige der 62. Jeweils drei davon können wir gleichzeitig auswählen, vielleicht irgendwann auch mal mehr, wenn wir gut sind.
Damit verändern wir die Levels. Schön ist, dass manche Aktionen in den Levels auch Einfluss auf die Oberwelt haben und nicht nur umgekehrt. Zum Beispiel die Geheimgänge in den Levels, die uns an sonst unerreichbare Orte in der Oberwelt bringen. So ist die Kombination gut gelungen und die beiden Teile ergänzen sich perfekt. In 2D ist es eher hektisch, anstrengend und aufregend; in der Oberwelt können wir uns zwischen den Levels vom Stress erholen und gemütlich erkunden und neue Dinge entdecken. Mir hat letzteres sogar mehr Spaß gemacht als die Levels. Es ist wirklich nicht einfach nur eine Oberwelt, die die Levels zugänglich macht, es ist eine lebendige Umgebung, wie ich sie mir schon lange gewünscht habe. Vorbildlich für ein Jump & Run, dem andere gerne folgen dürfen! Da ist richtig viel Liebe und Arbeit reingesteckt worden und das merkt man.
Aber natürlich sind auch die 2D Levels gut. Viel optische Abwechslung, tolle Ideen, gute Verstecke und geheime Wege sowie viele knackige Passagen. Und, ja, es macht Spaß, jeden Level mindestens zwei Mal zu spielen.
Flüssig bis zum Abwinken.
Optisch ist das Spiel wirklich gut. Die Figuren wirken durch ihren quasi Knetgummi-Effekt sehr plastisch, auch wenn man sie nur selten aus der Nähe sieht. Dabei läuft das Spiel konstant bei 60 Bildern pro Sekunde, was gerade in 2D auch wichtig ist, weil es teilweise sehr flott vor sich geht. Die 2D Levels sind abwechslungs- und detailreich, die Gegner relativ vielseitig und die Effekte gelungen. Die Oberwelt ist fast ein Spiel für sich, sehr gut durchdacht mit vielen, geheimen Wegen, gut versteckten Geheimnissen und viel zu entdecken. Ja, man kann auch vieles davon links liegen lassen – das Spiel macht dann aber viel weniger Spaß.
Die Musik ist auch gut gelungen. Sie ist nicht nur abwechslungsreich, sondern auch hochwertig. Vor allem am Strand und bei Unterwasserlevels bin ich durchweg begeistert, der Rest ist auch sehr gut. Dazu kommt eine gute Geräuschkulisse, die an einigen Stellen auch schön an gewisse andere 2D-Spiele erinnert. Und sie erinnert auch wie im Vorgänger an eine gewissen Reihe auf dem Nintendo 64, vor allem bei der Vertonung der Figuren. Das ist ein sehr schöner Fan Service der Entwickler.
Die Steuerung ist wie beschrieben nicht besonders knopfreich, dafür aber knackig und auf den Punkt präzise. Fehler waren immer meine eigenen und niemals der Steuerung geschuldet, so muss es in 2D sein. Ich musste mich nur etwas länger an die Reichweite der Rolle gewöhnen, die ist nämlich echt groß. Einmal unbedacht gerollt und man hängt schnell im nächsten Hindernis. Dafür ermöglicht sie aber auch Passagen, die ein perfektes Zusammenspiel von B und Y erfordern.
Der Umfang ist groß, die Spielzeit variiert aber deutlich je nach Ansatz und Können. Richtig gute Spieler sind theoretisch nach 15 Minuten durch, ohne einen Treffer im unmöglichen Versteck. Okay, wer das im ersten Versuch schafft, der besiegt auch einen Leunen in Breath oft he Wild ohne eine Waffe einzusetzen. Geht man den Weg am anderen Ende der Möglichkeiten, sammelt also alle 48 Bienen, 62 Tonika und 200 Münzen ein, dann reden wir über locker 20-Stunden-Ausmaß. Ich bin mit 35 Bienen, 38 Tonika und 110 Münzen nach knapp 15 Stunden ins Ziel gelaufen. Bzw. eher gekrochen, den am Ende war das unmögliche Versteckt für mich auch mit so vielen Bienen eine große Herausforderung, die ich erst im achten Anlauf geschafft habe.
Mario meint:
Yooka Laylee and the Impossible Lair ist ein herausragendes Spiel, das sich hinter Genre-Highlights wie Rayman Legends oder Donkey Kong Country Tropical Freeze nicht verstecken muss – im Gegenteil. Das liegt an den abwechslungs- und zahlreichen Levels, der knackigen Steuerung, dem nicht überladenen Gameplay, dem Fokus auf wenige Sammelgegenstände, den lustigen Dialogen und nicht zuletzt auch an der genialen Oberwelt, die in meinen Augen ihresgleichen vergeblich sucht. Einziger Wehrmutstropfen sind die Übersetzungen der Witze. Die funktionieren in Deutsch einfach lange nicht so gut wie in Englisch: Queen Phoe“bee“, Capital „Bee“ und das „Bee“tallion sind die prominentesten Beispiele. Aber der Humor im Spiel ist trotzdem genial. Also: Das Spiel ist selbst für 2D-Muffel wie mich gemacht. Dafür, dass ich es vor der Gamescom überhaupt nicht auf dem Schirm hatte, bin ich verdammt begeistert. Die wichtigen Dinge stimmen einfach – Gameplay, Abwechslung, Umfang, Steuerung, Technik und Humor sind auf Top-Niveau. Was will man mehr? Vielleicht Teil 3?
Grafik
Sound
Steuerung
Spielspaß
Release
Developer
Publisher
USK
08.10.2019
Playtonic
Team17
6
Singleplayer
Multiplayer
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