
Entscheidungen sind ein heiß diskutiertes Thema im Gaming. Viele Spiele versuchen, dem Spieler die Kontrolle über seine Handlungen zu geben. Das klingt fürs Erste einfach, immerhin zeichnen sich Spiele durch Interaktion aus, doch wie genau soll ein Spieler frei wählen können, wenn in einer Dialogbox nur drei Optionen vorhanden sind und die Gameplay Systeme dazu ausgelegt sind, gewisse Aktionen sehr präzise auszuführen und andere nicht?
The Fall ist ein Action-Adventure, das bereits vor vier Jahren auf der WiiU und Steam erschien, und nun seinen Weg auf die Switch gefunden hat.
Übernehme Kontrolle
The Fall beginnt damit, dass ein Pilot vom Himmel fällt. Woher er kommt oder was er dort gemacht hat wird er nicht beantworten können, denn obwohl sein hochentwickelter A.R.I.D. Suit den Sturz abfangen konnte ist er bewusstlos und braucht Medizinische Hilfe.
Der Spieler übernimmt die Kontrolle über die K.I. innerhalb des Anzugs, welche nun den Auftrag hat, seinen Träger in Sicherheit zu bringen. Doch diese Aufgabe ist nicht so einfach, denn plötzlich findet sich die K.I. in einer heruntergekommenen Testanlage für Roboter wieder, und obwohl sie von seinen Betreibern schon lange verlassen wurde sind die automatischen Systeme noch immer aktiv und bestrebt, den Betrieb aufrecht zu erhalten.
The Fall ist ein 2D Sidescroller und in seinem Kern ein Point & Klick Adventure. Auch wenn der Spieler keine Maus zum Point and Klicken hat, so hat er doch seine Taschenlampe/Dienstwaffe, mit der er die Gegend untersuchen und so mit ihr interagieren kann. Die Steuerung ist daher sehr direkt und verlangt für die meiste Zeit nicht viel. Tatsächlich ist die Interaktion mit der Umgebung etwas umständlich, so muss man zum Beispiel immer seine Waffe ziehen und ein Objekt anleuchten bevor man es untersuchen kann, selbst wenn es nur darum geht, einen Knopf zu drücken, der direkt vor einem liegt. Da man aber sowieso immer seine Taschenlampe aktiv haben muss ist das so halb so wild und das leichte Joggen des Anzugs wird lediglich benutzt, um schnell zu einem Ziel zu gelangen.
Etwas unterentwickelt wirkt hier eher das Kampfsystem, welches ein sehr rudimentären Covershooter darstellt. Auf Knopfdruck kann man sich so hinter Kisten kauern und über sie hinweg schießen, da man durch den selben Knopf aber auch seinen Tarnmodus aktiviert, ist die ganze Geschichte etwas fummelig und man fühlt sich so wenig wie die absoluten Kampfmaschine, die A.R.I.D. angeblich ist. Der Kampf stellt aber glücklicherweise nur einen kleinen Teil des Spiels dar und dass er nicht so perfekt funktioniert sorgt tatsächlich dafür, dass die Lage, in der man steckt, umso bedrohlicher wirkt. Da dies wohl der einzige Grund ist, warum sich die Entwickler überhaupt die Mühe gemacht haben, es zu integrieren, kann man sagen, dass es dennoch gelungen ist.
Ansonsten macht man den üblichen Adventure Kram: Man erkundet die Gegend, steckt allerhand Dinge ein und sucht nach Lösungen zu Problemen. Hin und wieder führt das Spiel neue Gameplay Elemente ein und verbindet diese mit einem interessanten Aspekt der Handlung. So hat der A.R.I.D. eine ganze Menge interessanter Funktionen, die, ähnlich wie bei Metroid Other M, zu Beginn des Spiels ausgeschaltet sind. Man braucht sie zwar, um weiterzukommen, doch dürfen sie nur vom Menschlichen Piloten im Anzug freigegeben werden. Sind sie allerdings für die Lebenserhaltung des Piloten notwendig, wird diese Sperre umgangen. Dass man also zum Beispiel bewusst ins Sperrfeuer eines Maschinengewehrs läuft um so seine Tarnsysteme freizugeben ist der erste Schritt zur Hinterfragung von Parametern, denen wir K.I.s unterstellen.
Leider vergisst The Fall seine neu eingeführten Elemente so schnell wie sie gekommen sind. Die Tarnvorrichtung muss gerademal zwei Mal verwendet werden, danach nie wieder. Anstatt also seine Fähigkeiten im späteren Spiel clever zu kombinieren steckt man meist eher ein Ding in ein Ding. Items müssen so gut wie nie mehr als einmal verwendet werden und verschwinden, sobald man sie nicht mehr braucht. Wenn man nicht weiter kommt liegt das meistens daran, dass man das richtige Ding noch nicht gefunden hat. Auf der einen Seite wird das Spiel so in seinem Gameplay nie wirklich clever, auf der anderen Seite bleibt man aber auch nie hängen und läuft anschließen Stundenlang im Kreis rum, um dann am Ende einen völlig an den Haaren herbei gezogenen Lösungsweg zu googlen. The Fall ist ein sehr einsteigerfreundliches Adventure, und das muss es eben auch geben.
Darf die Realität nicht falsch darstellen
Etwa in der Mitte des Spiels ist A.R.I.D. gezwungen, sich als Haushaltsroboter zu qualifizieren. In einer Testumgebung muss man also Zimmer putzen, Essen kochen, Babys beruhigen und Pappmenschen bei allen Belangen des Alltags helfen. Nur leider ist A.R.I.D. kein Haushaltsroboter und sieht sich völlig außer Stande, diese Dinge zutun, weshalb eher unkonventionelle Lösungen gefunden werden müssen.
Ob nun gewollt oder nicht kann man dies als cleveren Kommentar auf die Art sehen, wie Adventures programmiert sind: Auch dort muss der Spieler ständig neue Wege finden um ordinäre Probleme zu lösen. Und das nur, weil die Systeme des Spiels es nicht erlauben, es einfach so zu tun. Natürlich könnte man ein Zimmer einfach aufräumen, doch es gibt eben keinen Aufräum Knopf, also muss man die Ordnung anders wiederherstellen.
The Fall beschäftigt sich in diesem Sinne sehr mit der Beschaffenheit von Regeln und Systemen. Der Antagonist ist ein Aufseherbot, der davon überzeugt ist, dass A.R.I.D. fehlerhaft ist, während ihr größter Gehilfe, der Systemadministrator, die letzten Jahre damit verbracht hat, Menschliche Sprachgewohnheiten und Denkweisen zu entwickeln. War das seine Aufgabe? Wenn nicht, warum hat er es dann getan? Und ist es gemäß der Richtlinien, dass A.R.I.D. gegen ihre grundlegenden Regeln verstößt, um ihre primäre Mission zu erfüllen? Ist der Aufseher einer heruntergekommenen, mit menschlichen Leichen gefüllten Anlage fehlerhaft, oder erfüllt er seine Aufgabe nur in seiner extremsten Form? All diese Fragen wirft The Fall auf und zeigt dann wenig Initiative, sie zu beantworten. An dieser Stelle sei angemerkt, dass es sich hier um den ersten Teil einer geplanten Trilogie handelt. Teil zwei ist ebenfalls bereits im eShop.
Meine größte Kritik gilt aber der Illusion von Entscheidungen. Irgendwann im Spiel wird A.R.I.D., und durch sie der Spieler, gefragt ob das was man tut es wirklich am Ende wert sein wird. Diese Frage ist jedoch etwas schwach, wenn man als Spieler keine andere Wahl hat diese, oder das Spiel auszuschalten und von der Festplatte zu löschen. Auch ist es wenig Hilfreich dass der Spieler ein sehr abstraktes Opfer eingeht, während der tatsächliche Verlust am Ende des Spiels die Schuld des Aufsehers ist.
Auf der anderen Seite ist Regelkonformität und die Unfähigkeit, etwas Anderes zu tun als seine Aufgabe, ein Thema der Story. A.R.I.D. ist genau so unfähig wie der Spieler, andere Entscheidungen zu treffen als die, die sie vorwärts bringen. Wenn dies also ein bewusst gesetzter Widerspruch ist, so wurde er hier aber noch nicht komplett erkundet und sollte in der Fortsetzung Platz finden.
Sensoren aktiv
The Fall ist ein dunkles Spiel. Es beginnt tief unten in einer dunklen Höhle, die Testkammern der Anlage haben wenig Energie und sind schlecht beleuchtet, an der Oberfläche ist es Nacht und man sieht nur die Sterne. Alles hat einen Film Noir Vibe, der gut in die unklare Thematik des Spiels einfließt. Stellenweise fragt man sich, ob man die Welt tatsächlich so wahrnimmt wie sie ist, oder ob etwas mit den Sensoren des Anzugs nicht stimmt. Bei so viel Schatten ist es müßig, über Texturen zu sprechen. Das Spiel sieht gut aus und trägt seine Atmosphäre von Anfang bis Ende. Das selbe gilt für den zurückhaltenden Soundtrack, der einem nie das Gefühl von Sicherheit gibt. Dazu kommen noch die Performances der Sprecher, die allesamt wirklich gut gelungen sind. Heraus sticht natürlich der Administrator, den man für den Bruchteil einer Sekunde für einen Menschen hält, bis er hin und wieder in seinen überhöflichen Tonfall zurückfällt. Bei A.R.I.D. und dem Aufseher auf der anderen Seite, fragt man sich konstant, wie viel Menschlichkeit in der simulierten Sprachausgabe steckt. Es mag mehr sein, als man will.
Wäre The Fall eine größere Story mit einem weiteren Setting, würde ich vielleicht die Einseitigkeit der Farbpalette kritisieren, mit der diese Welt gezeichnet ist. Ich verliere schnell Interesse an einer Welt, in der es keine Farben und keine Freude zu geben scheint. Doch da es sich hier um eine sehr kurze Geschichte in einem sehr begrenzten Umfeld handelt bleibt die Darstellung bis zum Ende stimmig. Und obwohl die Anlage tot und vergessen ist, wirkt sie lebendig darin, dass sich von ihr Schlüsse auf die Welt außerhalb ziehen lassen. Und die Beruhigen einen nicht wirklich.
Lukas meint:
The Fall ist kein Adventure für Denker, aber ein Gesamtwerk für welche. Wer auf hard Science Fiction steht und sich Gedanken über anstehende Machtübernahme von Künstlichen Intelligenzen macht wird hier interessanten Denkstoff finden. Das Gameplay ist flüssig, das Pacing bricht kaum ab und selbst wenn ich davon überzeugt bin, dass die Handlung nicht zu hundert Prozent durchdacht ist, so finde ich trotzdem in ihren möglichen Fehlern neue Denkansätze, die das alles doch irgendwie gewollt erscheinen lassen.
Grafik
Sound
Steuerung
Spielspaß
Release
Developer
Publisher
USK
10.05.2018
Over the Moon
Over the Moon
12+
Singleplayer
Multiplayer
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