Mobile Games sind auf einer Heimkonsole mit ihrer einfachen Grafik und reduziertem Gameplay leicht zu erkennen und meist ungeeignet für ein System, das einfach mehr kann als hin und wieder auf den Touchscreen zu tippen.
Mit Reigns: Kings and Queens kommt nun aber ein Mobile Game auf die Switch, welches auf einem Smart Gerät zu Hause, aber dennoch ebenfalls gut für ein dediziertes Gaming Gerät ist.
Im Spiel um den Thron swiped man rechts oder links
Tinder ist nicht nur eine Dating App, mittlerweile ist es ein weitbekanntes Meme. Selbst gestandene Casanovas der alten Schule wissen, wie sie funktioniert: Man bekommt ein Bild von einer Person, dann swiped man links für nein und rechts für ja. Neben einer kurzen Selbstbeschreibung findet hier die erste Kontaktaufnahme allein basierend auf physischer Attraktion statt, die inneren Werte können warten. Diese schon fast zynische Reduktion menschlichen Balzverhaltens ist nicht nur extrem präzise Realsatire, sie ist auch erfolgreich.
Insofern war es nur eine Frage der Zeit, bis sich Spiele Entwickler dieses simplen aber süchtigmachenden Designs bedienen. Und natürlich konnte Devolver Digital es sich nicht nehmen lassen, dieses Spiel dann herauszubringen weil… Wer sonst?
In Reigns: Kings and Queens übernimmt man die Kontrolle über einen König oder eine Königin. Beide Rollen sind in sich ihr eigenes Spiel, der Kern des Ganzen ist aber gleich: Nach und nach wird man mit Fragen konfrontiert, die man dann entweder mit Ja oder Nein beantwortet, in dem man nach rechts oder links swiped. Der Clou dieses “Tinder für Game of Thrones” ist jedoch, dass die Entscheidungen Einfluss auf vier Werte haben, den Klerus, das Volk, das Militär und das Geld. Fällt einer dieser Werte auf null, stirbt man. Steigt einer dieser Werte auf 100, stirbt man ebenfalls. Und da man das unglaubliche Glück hat, einem Pakt mit einem übernatürlichen und, zugegeben, etwas unchristlichen Wesen zu unterliegen, lebt man kurz nach seinem Tod im Körper seines Nachfolgers weiter, dazu verdammt, diesen Zyklus bis in alle Ewigkeit fortzusetzen.
Verdammt? Ja, denn Reigns macht ziemlich deutlich, dass der alte Ausspruch “Its good to be King!” reiner Euphemismus ist. So streichen die Jahre ins Land, in denen jedes Problem der Menschen, die einen umgeben, zum eigenen Problem wird. So will man das Volk glücklich sehen und seine Schatzkammern nicht überstrapazieren, da geht die Kirche vor die Hunde und man verliert seine Legitimation zu regieren. Macht man jedoch die Kirche glücklich, könnte das Volk zu sehr leiden und eine Revolte anzetteln und mit der Zeit muss man auch aufpassen, seinen Job nicht zu gut zu machen, denn sonst wird auf einmal das Militär zu mächtig und putscht einen vom Thron.
Dieses Setup allein ist schon ein gelungener Kommentar auf Machtstrukturen und wie jeder einzelne in ihnen gefangen ist. Jedoch ist am Anfang nicht ganz klar, wie Reigns nun gespielt werden möchte.
So wird nach jedem Tod archiviert, wie lange jeder König von wann bis wann regiert hat, wodurch mit der Zeit eine recht ansehnliche Zeitlinie entsteht, die den Eindruck erweckt, dass sämtliche Taten weitreichende Konsequenzen haben werden. Dies ist aber leider nicht der Fall. So sehr Reigns anmutet eine Art Zivilisationsspiel zu sein, welches auf seine wichtigsten Entscheidungen herunter gebrochen wurde, so wenig hat das was man tut tatsächlich einen Effekt auf spätere Generationen. Es gibt ein paar Effekte, die unabhängig vom Amtsträger ein paar Jahre lang halten, und auf die komme ich noch später zurück, doch auch die gehen irgendwann davon und man steht wieder da wie zu Anfang.
Bis man dies heraus gefunden hat, wurde man jedoch schon Zeuge einiger Wendungen und Andeutungen, die versuchen, eine Geschichte zu erzählen. Ist Reigns also die moderne Variante eines “Choose your own Adventure” Buches? Nein, auch das ist es nicht, denn obwohl es ein großes Ziel gibt, auf das der Spieler zusteuert, hält sich die Story SEHR stark im Hintergrund und ist für die längste Zeit kaum existent.
Tatsächlich möchte Reigns einfach so gespielt werden, wie es ist: Wie ein Tinder der Könige, in dem man sich während der Busfahrt von einer Session zur nächsten hangelt: Von Tod zu Tod. Das einzige Ziel des Spielers soll es also sein, möglichst lange am Leben zu bleiben, und da beginnt das Design leider etwas, zu schwächeln.
Die Sünden des Vaters
Wie zuvor erwähnt gibt es in Reigns durchaus Effekte, die für eine bestimmte Zeit das Spiel etwas aufpeppen wollen. Diese zeigen sich in Form eines Handelsabkommens, einer Liebschaft oder dem guten, alten Imperialismus.
Konkret wirken sich diese Effekte auf die Attribute aus und modifizieren sie etwas. Führt man eine Affäre ist man sich der Liebe des Volkes sicher und muss sich darüber keine Sorgen mehr machen, die Kirche nimmt jedoch Jahr für Jahr ab. Und wenn man Kolonien auf weit entfernten Kontinenten gründet, steigen Militär und Geldbeutel nach und nach an, was man durch einen ausschweifenden Lebensstil ausgleichen muss.
Das Problem bei diesen Effekten ist, dass sie zu stark sind. Vor allem wenn sich die Taschen mit Geld füllen, kann man dieses nicht schnell genug wieder ausgeben, was darin resultiert, dass man Jahr für Jahr an Reichtum stirbt. Das Spiel kommt zum Erliegen, da bei jeder Gelegenheit der Reset-Knopf gefüllt wird, und die Zeitlinie wird mit unwichtigen Königen gefüllt, die absolut gar nichts erreicht haben. Hat das zumindest einen Bezug zur Realität? Kurze Antwort: Nein.
Abstraktion ist hier überhaupt das größte Problem, denn öfter weiß man gar nicht, wofür genau die vier Werte denn nun stehen. Am offensichtlichsten ist dieses Problem beim Militär: Mal steht das Schwertsymbol für die Stärke des Militärs, dann wieder für seinen Einfluss und in anderen Szenarien für das Ansehen des Königs bei ihm. Schickt man also nun das Militär los, um sich einiger Banditen anzunehmen, so nimmt das Militär ab, da man in der Schlacht Männer verliert. Okay. Wenn ich aber nun als König stark auftrete oder Generälen gewisse Privilegien einräume, wird das Militär stärker. Hier steigt also mein Ansehen, bzw. der politische Einfluss der Generalität. So weit ist das alles für sich noch recht eindeutig, doch wenn ich nun vor der Wahl stehe, ob ich den Klerus oder das Militär beauftrage, sich um ein Problem zu kümmern, was wird dann als Konsequenz passieren? Verliert das Militär an Stärke, da es in seiner Pflichterfüllung Männer verliert, oder gewinnt es an politischen Einfluss, weil ich es der Kirche vorziehe?
Es ist klar, warum der Spieler nicht genau über die Konsequenzen seines Handelns im Vorhinein unterrichtet wird, denn das Risiko ist Teil des Spiels. Doch leider fehlt auch die Klarheit im Regelbuch, um diese Risiken mit ausreichendem Wissen einzugehen.
Enter the Pungeon
Hin und wieder stößt man in seinem Schloss auf ein Verlies, welches man betreten und erforschen kann. Hier werden große Entscheidungen auf Tinder Niveau an die Seite gestellt und machen Platz für ein simples Text Adventure, in dem man sich zwischen verschiedenen Wegen entscheiden kann. Dort wird man auch am häufigsten mit dem Kampfsystem konfrontiert, welches ein wenig an Monkey Island erinnert, aber nie richtig erklärt wird.
Im Dungeon findet man alle möglichen Schätze, die man dann heraus tragen muss. Dungeons zu betreten ist gefährlich, riskant und meistens stirbt man in ihnen, doch sie lockern das Gameplay gelegentlich recht erfolgreich auf und schafft man sie, wird man dafür mit starken Vorteilen belohnt.
Könige und Königinnen
Die beiden Spielmodi sind strikt voneinander getrennt und nehmen keinen Einfluss aufeinander. Könige ist dabei die Urfassung von Reigns, während Königinnen ein späteres Addon war. Ich persönlich empfehle, zuerst Könige zu spielen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, womit man es zutun hat. Königinnen ist jedoch das deutlich bessere Spiel. Es fügt ein Item Inventar hinzu, welches öfter als dritte Antwort gewählt werden kann, und sorgt mit seinen etwas intimeren Themen für mehr Handlungsdichte. Einige Königinnen haben auch viel Einfluss auf das Reich, doch eben auf eine subtilere Art und so hat man die Illusion einer kleineren Welt, auf die man einen deutlicheren Einfluss ausüben kann.
Vielen Dank and Devolver für die Bereitstellung des Testmusters!
Lukas meint:
Die Idee war es, ein Tinder für Könige zu erschaffen. Und das ist durchaus gelungen. Für kurze Strecken weiß dieses recht freche kleine Spiel durchaus zu unterhalten und dabei das eine oder andere zu unserer Welt zu kommentieren, auch wenn es sich hier und da ein paar grobe Gameplay-Schnitzer erlaubt. Leider ist es nicht mehr. Es könnte mehr sein, doch das schien den Entwicklern nicht wirklich klar gewesen zu sein. Das Fehlen echter Konsequenzen und weitreichender Verstrickungen lässt Reigns daher nur an der Oberfläche kratzen.
Grafik
Sound
Steuerung
Spielspaß
Release
Developer
Publisher
USK
20.09.2018
Nerial
Devolver Digital
12+
Singleplayer
Multiplayer
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