Willkommen in einer Welt aus Papier
Spätestens seit der Legende vom Äonentor ist die Paper Mario Reihe anerkannt als waschechte RPG-Reihe mit einer guten Geschichte, tollem Kampfsystem und viel Abwechslung. Zuletzt hat die Reihe aber deutlich Anerkennung verloren, da die letzten Spiele immer weniger Wert auf die Geschichte gelegt haben und auch das Gameplay hier und da suboptimal verändert wurde. Mit The Origami King setzt Intelligent Systems nun einen neuen Teil auf der Switch um, der zumindest im Trailer den Eindruck erweckt hat, dass die Reihe zurück zu altem Glanz geführt werden könnte.
Wie immer startet das Abenteuer in der Welt von Mari, die allerdings komplett aus Papier und Pappe gestaltet ist. Mario, Luigi, Peach, alle Toads und Bowser samt aller Schergen sind ebenfalls aus Papier, also zweidimensional. Das eröffnet viele Möglichkeiten, die die Reihe schon fast alle umgesetzt hat. Bisher fehlte allerdings noch die Papier-Falttechnik Origami, die nun eine Hauptrolle spielt.
König Olly möchte die ganze Papier-Welt übernehmen und da er selbst ein gefaltetes Origami ist, alles nach seinem Ebenbild neugestalten. Um das zu erreichen, schnappt er sich Prinzessin Peach und faltet sie neu. Danach knüpft er sich das Schloss vor, wickelt es in Luftschlangen ein und entfernt es von seinem angestammten Platz. Super Mario gelingt die Flucht in letzter Sekunde nur mit Hilfe vom zusammengefalteten Bowser. So kann er sich auf den Weg machen, Peach zu befreien und die Welt zu retten. Dabei steht ihm Luigi zur Seite, der es sich zum Ziel setzt, den verloren gegangenen Schlüssel von Peachs Schloss zu finden und mit diesem Plan erstmal abdampft.
Doch Mario ist trotzdem nicht alleine unterwegs. Ollys Schwester Olivia steht ihm zur Seite, denn sie will ihren Bruder unbedingt aufhalten. Warum sie keine Wut auf die platten Papierwesen hegt, ist lange eine ungeklärte Frage – genauso die, was Olly eigentlich antreibt. Im Laufe des Abenteuers werden all diese Fragen aber beantwortet und zwar auf eine Art, die eines RPG würdig ist. Dabei treffen Mario und Olivia unterwegs nicht nur immer wieder auf Luigi, der einen falschen Schlüssel nach dem anderen findet und immer wieder aufs Neue loszieht.
Daneben hat Mario wieder Begleiter, die ihn auf der Oberwelt und in den Kämpen unterstützen. Mit dabei ein Bob-Omb, der sein Gedächtnis verloren hat, ein Toad Professor mit dem Forschungs-Schwerpunkt Archäologie, ein besonders cooler Bowser-Scherge samt kindlicher Begleitung und am Ende noch ein echter Stargast. Alle bringen immer wieder frischen Wind nicht nur in die Geschichte, weil jeder Charakter auch seine eigene Hintergrund-Geschichte hat, die schön erzählt wird und Relevanz für die Gesamthandlung hat.
Wie gesagt ist die Geschichte wirklich gelungen. Sie entfaltet sich tatsächlich erst nach und nach und bietet viele Überraschungen. Und die sonst übliche Schwachstelle, dass sich der Böse nach seiner anfänglichen Aktion nicht mehr einmischt, ist hier definitiv nicht gegeben. Olly lässt sich nicht ungestraft ins Werk pfuschen. Er wirft Mario und Olivia reichlich Steine in den Weg. Der erste führt sogar zu einer Szene, die ich einem Mario Spiel nie zugetraut hätte. Achtung, Spoiler. Wenn ihr das nicht lesen wollt, scrollt bitte weiter zum Abschnitt „Grandios gefaltetes Gameplay“.
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Was passiert? Olly begräbt Olivia unter einem riesigen Felsbrocken und Mario muss anschließend ohne sie klarkommen. Doch sein aktueller Begleiter Bob-Omb hat eine Idee, die eine Reise auf den Ozean auslöst. Dort suchen wir die MS Peach, ein richtig cool-kitschiges Kreutfahrtschiff, das allerdings nach einem Angriff durch einen riesigen Meeresbewohner verlassen und zerstört ist. Dort muss er etwas finden, verrät jedoch nicht, was. Wir erkunden also das Schiff und treffen am Ende natürlich auch auf das Monster, das das Schiff schon vor einer Weile angegriffen hat.
Anschließend finden wir das Objekt, das Bobby (so heißt der Bob-Omb) unbedingt braucht, um Olivia zu retten. Wieder am Felsbrocken zurück offenbart er seinen Plan: Er hat sich die Lunte eines alten Freundes besorgt, damit er sich zünden und den Stein wegsprengen kann. Mario versucht noch, ihn aufzuhalten, doch es ist zu spät. Bobby opfert sich selbst, um Olivia zu befreien. So etwas hat es in einem Mario-Spiel noch nicht gegeben und es zeigt sehr gut, dass in The Origami King wirklich wert daraufgelegt wurde, eine RPG-würdige Geschichte zu erzählen. Dabei ist das Spiel gar kein Rollenspiel mehr – und damit kommen wir zum Gameplay.
(Ende Spoiler)
Grandios gefaltetes Gameplay
Der spielerische Aspekt teilt sich in zwei Abschnitte: die Oberwelt und die Kämpfe. Der Fokus liegt dabei klar auf der Oberwelt, die vollgepackt ist mit Rätseln, Geheimissen und Toads. Man wird dabei immer wieder vor kleine Aufgaben gestellt, die es zu lösen gilt. Anfangs sind immer wieder die Luftschlangen im Weg, die verhindern, dass man bestimmte Gebiete erreichen kann. Aber nicht nur das.
An einer Stelle kommt man über eine Felswand in einem Flussbett nicht rüber. Mario muss also einen Weg finden, den Fluss zu fluten. Danach stellt er fest, dass er das Boot nicht selbst steuern kann, also brachen wir einen Toad, der das kann. Da der auf Thunfisch steht, besorgen wir uns eine Dose von der wohlduftenden Leckerei, müssen drei Freunde zusammenbringen, damit die uns die Dose öffnen und schon locken wir den zur Möve gefalteten Toad aus seinem Versteck, entfalten ihn und die Reise kann weitergehen.
Doch nicht nur diesen Toad müssen wir finden. In der ganzen Welt wurden Toads von Olly zerknüllt oder gefaltet und dann versteckt. Jeder gefundene Toad taucht dann in der Kampfarena als Zuschauer auf und feuert Mario an. Gegen Geld unterstützt die immer größer werdende Horde dann auch im Kampf. Geld ist dabei ein grundsätzlich wichtiges Thema, Münzen erhält man nämlich sehr zahlreich als Belohnung für gewonnene Kämpfe oder findet sie auf der Oberwelt. Unter anderem auch in Fragezeichen-Blöcken, von denen einige im Spiel gut versteckt sind. Sowohl für die Blöcke als auch für die Toads kann man in einem versteckten Labor Hilfsmittel bekommen, die das Aufspüren erleichtern. Und es gibt auch noch Zubehör, das sich meldet, wenn etwas in der Nähe ist. Alles natürlich gegen Geld zu erwerben.
Daneben gibt es dutzende Schatz-Minis zu finden. Das sind Miniatur-Versionen von Charakteren, Gegenständen oder Orten im Spiel. Die sind besonders gut versteckt und es gibt auch kein Hilfsmittel, sie leichter zu finden. Nur einen Hinweis im Menü pro Gebiet, wie viel Prozent der Schätze – und auch Toads, Blöcke und Löcher – man schon gefunden hat. Moment, Löcher? Ja, die ganze Welt ist durchzogen von so genannten grundlosen Löchern, die Mario mit Schnipseln wieder schließen kann. Diese findet man überall in der Welt und trägt sie in einem kleinen Beutel mit sich herum. Schließt man alle Löcher in einem Gebiet, erhält man dafür die Möglichkeit, sich den Soundtrack anzuhören. Das kann man im Museum der zentralen Stadt Toad Town tun. Dort werden auch die gefundenen Schatz-Minis ausgestellt und man kann sich generell alles ansehen, was man schon gefunden hat. Und für gefundene Toads gibt es Punkte, mit denen man Kunstwerke freischalten kann.
Die Oberwelt ist also gut gefüllt und lädt zum Erkunden ein. Neu dabei sind auch Falttechniken, die Mario und Olivia neue Möglichkeiten geben. Den Anfang machen Marios Faltarme, die an bestimmten Punkten dazu eingesetzt werden können, um mittels Bewegungssteuerung zum Beispiel Tapete von einer Wand zu reißen oder Eisblöcke von der Decke herunterzuschlagen. Durch das Besiegen bestimmter Bosse bekommt Olivia die so genannte Pergamacht und kann sich dann an bestimmten Stellen in den Boss umfalten und seine elementare Kraft einsetzen. Also zum Beispiel Feuer speien, Seen fluten usw.
Zuletzt möchte ich beim Gameplay noch über die offenen Abschnitte sprechen. Es gibt im Spiel einige Bereiche, die als kleine, offene Welt innerhalb des Spiels gestaltet sind, zum Beispiel ein Freizeitpart, eine Wüste oder den Ozean. Innerhalb dieses Gebietes bewegt man sich frei und muss die Aufgaben meistern, die den Weg zum Ziel in diesem Gebiet ebnen. In der Wüste muss man zum Beispiel über mehrere Umwege die Sonne zurück an den Himmel bringen. Der Ozean erinnert dabei ein kleines bisschen an The Wind Waker, vor allem durch die Seekarte mit verschiedenen Inseln in den Quadranten und unter Wasser versteckten Schätzen. Diese Abschnitte sind wirklich gut gemacht und bringen ganz neue Freiheiten in das Spiel.
Also: Dieser Teil des Gameplays ist sehr gelungen, der andere allerdings gar nicht. Bei einem Kampf, der startet, wenn man einen Gegner in der Oberwelt berührt steht Mario in der Mitte der Arena und die Gegner sind in vier Kreisen um ihn herum angeordnet. Bevor es richtig los geht muss man sie in einem Block oder einer Kette aus jeweils vier Gegnern sortieren, damit man sie auf einen Schlag besiegen kann. Dafür hat man nur begrenzt Zeit und dass macht das Ganze sehr stressig. Gelingt das Sortieren nämlich nicht, dann zieht sich der Kampf und Mario nimmt ziemlich sicher Schaden. Denn kann man zwar durch die zur richtigen Zeit gedrückte A-Taste reduzieren, aber nicht verhindern. Die A-Taste braucht es auch wieder, um Marios Angriffe zu verstärken.
Durch Extras lässt sich diese Zeit zwar verlängern und Toads helfen gegen Münzen auch beim Sortieren, aber insgesamt nervt es einfach, weil es unnötiger Stress ist. Ich versuche deshalb, Kämpfen wo es nur geht aus dem Weg zu gehen. Zum Glück kann man das auch, da Mario nicht mehr durch ein Level-System stärker wird, sondern durch Upgrades, die man auf der Oberwelt erhalten kann. Manche Kämpfe sind aber einfach zwingend und das nervt total. Vor allem weil Marios Schuhe und Hämmer mit der Zeit kaputt gehen. Das scheint ein neues Feature bei Nintendo-Spielen zu sein und ist auch sehr nervig. Man muss immer darauf achten, genug dabei zu haben, denn sonst kann es auch echt übel enden im Kampf gegen die zahllosen von König Olly gefalteten Faltschergen.
Und eigentlich kann es auch nicht sein, dass ein Kernelement des Spiels so ätzend ist, dass man versucht, ihm aus dem Weg zu gehen. Mich stört es allerdings nicht so sehr, weil das Abenteuer auf der Oberwelt extrem viel zu bieten hat und ich von normalen Kämpfen noch nie viel gehalten habe. Ich brauche die also nicht.
Etwas anders sieht es bei den Bosskämpfen aus. Hier steht der Gegner in der Mitte und das Ringsystem muss genutzt werden, damit Mario den Weg ins Zentrum findet. Diesen Ansatz finde ich gelungen, weil die Bosse da auch mehr damit spielen und man nicht nur stupide sortieren muss. Dabei muss man auch sehr viel taktischer Vorgehen. Ein Boss erfordert es zum Beispiel, dass man ihn nicht angreift und so lange bewusst nicht trifft oder Extras auf dem Spielfeld einsammelt, bis der richtige Moment zur alles entscheidenden Attacke gekommen ist.
Neben den schon erwähnten besonderen Bossen, in die Olivia sich dann umfalten kann, gibt es auch wieder jede Menge Gegner aus der echten Welt, die wirklich cool in die Gesamthandlung eingebaut wurden und deren Relevanz ich zumindest immer erst verstanden habe, als der Boss mir gegenüberstand. Auch hier will ich nicht spoilern, daher mal nur ein Beispiel vom Anfang: Während Mario in einem Turm den Weg nach oben sucht, wird er immer mal wieder von langen Geschossen angegriffen. Auch der Aufzug nach oben wird von zwei davon zum Absturz gebracht. Oben angekommen offenbart sich der Boss, es ist eine Kiste Buntstifte, der eben diese immer wieder auf Mario abgeschossen hat. Und dieses erste Beispiel ist dabei noch das schlechteste. Hier sind die Entwickler richtig kreativ geworden und haben die Kämpfe auch bombig umgesetzt!
Viel mehr als einfach nur platt!
Technisch ist Paper Mario mal wieder sehr gelungen. Papier, das per Origami zu neuen Figuren gefaltet wird, tolle Umgebungen, die alle aus Papier oder Pappe gemacht sind und viele tolle Effekte. Die Welt ist wirklich konsistent und es ist großartig, die ganzen versteckten Details zu entdecken. In der Sandpapierwüste ist der Sandboden zum Beispiel – wie der Name der Wüste schon sagt – ebenfalls aus Papier, aber eben Schleifpapier, das wie Sand aussieht. Die dort zu rettende Sonne offenbart, dass der Himmel aus Pappe gemacht ist. Und das Wasser im Ozean ist natürlich auch kein echtes Wasser. Darin würde ja auch alles aufweichen und sich dann auflösen… Also: Richtig gut gemacht!
Dazu ist die Musik gewohnt gut und hat viele Stücke zu bieten, die mir aktuell laufend im Ohr herum kreisen. Vor allem die rockigen Boss-Titel haben mich immer wieder mitgerissen. Aber auch die Untermalung des Canyons, von Toad Town und des Ozeans sind passend und vor allem abwechslungsreich. Einzig fehlt eine Sprachausgabe. Gerade die Texte von Olly und Olivia oder die Dialoge mit den Toads kranken daran, dass man alles lesen muss. Das ist einfach nicht mehr zeitgemäß, gerade bei einer Geschichte, die auch auf Emotionen setzt. Da Mario im ganzen Spiel keine eigene Textbox hat, muss er natürlich außen vor bleiben, er ist einfach ein stummer Held. Aber der Rest der Welt sollte endlich mal mit dem Sprechen anfangen. Vor allem, da jeder sowieso schon eine Stimme hat, die aber nur ein paar Geräusche macht. Die Zelda-Reihe wurde durch Breath of the Wild auch auf ein neues Niveau gehoben.
Die Steuerung ist gelungen, auch die Passagen mit Bewegungssteuerung sind gut – kann man aber auch deaktivieren und alles nur mit den Tasten steuern. Das macht vor allem im Handheld-Modus Sinn, da man sonst die Konsole hier und da ziemlich herumschleudert. Vor allem beim letzten Boss hatte ich das Gefühl, dass die Konsole gleich von den Joy Cons fliegt, doch zum Glück muss man die Konsole ja nach unten wegziehen, bzw. die Controller nach oben.
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Mario meint:
Unterm Strich ist Paper Mario The Origami King ein unglaublich kreatives Spiel mit vielen Ideen und Anspielungen auf andere Nintendo-Reihen. Die Reise führt durch eine abwechslungsreiche Welt mit vielen Geheimnissen, offenen Abschnitten und interessanten Charakteren. Dazu gibt es viel Humor, der aber teilweise wirklich platt wie Papier ist, aber auch traurige Passagen und einiges zum Nachdenken. Leider ist das Kampfsystem außerhalb der Bosskämpfe viel zu stressig und macht daher keinen Spaß. Wenn man den Kämpfen größtenteils aus dem Weg geht, dann trübt es das Erlebnis aber nur wenig. Der Fokus liegt klar auf dem Erkunden der Oberwelt und dem Lösen von Rätseln und das macht das Spiel perfekt. Wer also auf ein Paper Mario Spiel gewartet hat, das an die Klasse vom Äonentor herankommt, der könnte hier fündig werden. Zumindest, wenn man keinen großen Wert auf Standardkämpfe legt. Es geht auf jeden Fall wieder steil aufwärts mit der Reihe, so dass ich den Kauf sehr empfehlen kann.
Grafik
Sound
Steuerung
Spielspaß
Release
Developer
Publisher
USK
17.07.2020
Intelligent Systems
Nintendo
6+
Singleplayer
Multiplayer
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