Mit Nintendo Switch Online hat Nintendo mir schon einige harte Nostalgieflashs verpasst. Erst kürzlich hat es mich mit der Veröffentlichung von Goldeneye, im Original 1997 für das Nintendo 64 erschienen, wieder einmal erwischt. Oh, Goldeneye. Wann immer ein Spiel in der persönlichen Wahrnehmung sowie in der objektiven Beurteilung einen besonderen Status erreicht, darf man wohl zurecht von einem Meilenstein sprechen. Was nun folgt, vermischt in der Betrachtung beides und ist insofern ein etwas anderes Review als normalerweise.
Vielleicht Nintendos ungewöhnlichste Entscheidung
Lasst uns kurz ein wenig ausholen. Im Dezember 1995 lief Goldeneye in den Kinos an. Es war der erste Bond seit sechs Jahren, der erste mit Pierce Brosnan als Geheimagent und auch mein erster Film der Reihe, den ich im Kino gesehen habe. Ich war damals hellauf begeistert von dem Film. Die Begeisterung teilten zum Glück die meisten Fans und Kritiker, so dass die Zukunft von James Bond gesichert war. Und dann geschah etwas, was völlig ungewöhnlich war. Nintendo sicherte sich die Rechte ein Videospiel zu dem Film entwickeln zu dürfen. Nintendo, die bis dato und auch danach nie wieder eine Lizenz zu einem Kinoblockbuster sicherten, um ein Spiel zu entwickeln. Noch Nintendo untypischer wird das Ganze dadurch, dass sie der Firma Rareware (bis zu diesem Zeitpunkt vor allem durch die Donkey Kong Country Games bei Nintendofans bekannt) ermöglichten, den Filmstoff in einem Egoshooter umzusetzen.
Ein Meilenstein und Präzedenzfall der Videospielgeschichte
Als dann 1997 das Nintendo 64 erschien und auch Goldeneye, wurde schnell klar, dass hier ein Meilenstein der Videospielgeschichte veröffentlicht wurde. Neben zahllosen Awards, die das Spiel einheimste, ist es bis heute das drittmeist verkaufte N64 Spiel (in den USA liegt es sogar auf Platz 1) und gilt als die Blaupause für alle nachfolgenden Egoshooter auf Konsolen. Übrigens verzichtete Nintendo damals darauf, dass Spiel in Deutschland zu veröffentlichen, weil sie befürchteten, dass es aufgrund der hiesigen, vor allem damals strengen Jugendschutzregeln indiziert werden würde. Da sich natürlich auch hierzulande die Nachricht rasant verbreitete welch Meilenstein Goldeneye doch sei, verkaufte sich das Spiel dennoch auch bei uns wie geschnitten Brot, wenn auch nicht über den normalen Einzelhandel. Als Codenamen nutzen Fans statt Goldeneye das nicht wirklich unauffällige Silvereye. Aber letztendlich nützte das alles nichts. Denn die Bundesprüfstelle für Jugend gefährdende Schriften (BPjS) bekam letztendlich dennoch Wind von der Sache und indizierte daraufhin erstmals ein Game, das niemals offiziell in Deutschland erschienen war. Das wiederum führte eher dazu, dass der Kultstatus noch weiter stieg.
Was macht Goldeneye so gut?
Aber was macht Goldeneye so besonders? Bleiben wir zunächst bei den objektiven Fakten. Das Egoshooter-Genre war generell noch ein recht junges. Denn um sich halbwegs flüssig und frei in einem 3D-Raum aus der Ich-Perspektive bewegen zu können, braucht man a) die nötige Rechenleistung des Videospielsystems und b) eine Möglichkeit um einen Charakter stufenlos im 3D-Raum zu manövrieren. Beides war zumindest auf Konsole bis zum Release des Nintendo 64 nicht möglich. Das N64 lieferte eine ausreichende Rechenleistung zur Darstellung von 3D-Games. Aber vor allem der revolutionäre N64-Controller mit dem Analogstick sorgte erst dafür, dass die notwendige Kontrollmöglichkeit geschaffen wurde. Seitdem und bis zum heutigen Tag sind Controller ohne Analogsticks undenkbar. Auch andere Videospielmeilensteine des N64 wie Super Mario 64 oder The Legend of Zelda Ocarina of Time wären ohne den revolutionären N64 Controller nicht möglich gewesen. Und das Team von Rare hat es verstanden, die neuen Möglichkeiten zu nutzen und ein grafisch ansprechendes und steuerungstechnisch wegweisendes Spiel umzusetzen (natürlich aus damaliger Perspektive).
Was macht Goldeneye noch zum Meilenstein? Da wäre vor allem auch die Umsetzung des Filmstoffs und das daraus resultierende Gamedesign zu nennen. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es nur wenige Videospiele, die es halbwegs schafften, der Filmvorlage gerecht zu werden. Übrigens ein Problem, das bis heute Bestand hat. Die Entwickler von Rare haben exzellent den Spagat geschafft sich nah an der Filmvorlage zu orientieren, so dass einem als Kinogänger der Plot und die Locations wohlig bekannt vorkommen, dabei aber nicht vergessen, dass am Ende in erster Linie ein gutes Spiel herauskommen muss. Genial ist alleine schon die Idee, dass je nach gewähltem Schwierigkeitsgrad sich nicht nur die Anzahl oder Stärke der Gegner ändert, sondern das Missionsdesign angepasst wird. So müsst ihr auf einem höheren Schwierigkeitsgrad mehr Missionsziele erfüllen und stoßt dabei auch in Levelabschnitte vor, die auf dem niedrigsten Schwierigkeitsgrad optional sind. Die Missionsziele sind dabei eigentlich immer typisch für James Bond: Finde wichtige Dokumente, kopiere geheime Daten von einem Server, finde und befreie eine Zielperson, sabotiere gefährliche Einrichtungen etc. Wenn man Goldeneye spielt fühlt man sich tatsächlich wie James Bond.
Ein Multiplayer wird zum Kult
Aber was Goldeneye letztendlich zu dem unumstößlichen Kultstatus verholfen hat, war der Multiplayer. Hier war es erstmals in einem Egoshooter möglich in einem Vierspieler-Splitscreen-Modus gemeinsam mit Freunden vorm Fernseher zu sitzen und sich gegenseitig in extra designten Levels/Arenen zu jagen, aufzulauern und abzuballern. Was damals von PC Spielern belächelt wurde, da man ja durch den gemeinsamen, geteilten Bildschirm immer sieht, wo sich sein Gegner gerade befindet, entpuppte sich als besonderen Quell für Schadenfreude. Denn das gegenseitige Auflauern, dennoch überraschen und ausschalten macht bis heute unfassbar viel Spaß. Gerade der „License to Kill“ Modus, wo schon ein Treffer, eine Kugel ausreicht, um das Zeitliche zu segnen, sorgte für den ultimativen Thrill! Ich kann gar nicht sagen wie viele Stunden wir damals vor der Kiste verbracht haben!
Ist Goldeneye auf der Switch immer noch so gut?
Kommen wir mal zur Version, die aktuell für Switch Online verfügbar ist und mich wieder in Verzückung versetzt hat. Allerdings müsst ihr bevor ihr losspielt – es sei denn ihr habt euch den Nintendo 64 Controller für die Switch bestellt – unbedingt die Steuerung einrichten. Und das ist leider alles andere als zugänglich gelöst. Ihr dürft zwar gleich den Classic Controller verwenden und habt im Spiel selbst verschiedene Steuerungsmöglichkeiten des Originals und mehr zur Auswahl, aber keine davon lässt euch das Spiel so zocken, wie man heutzutage halt Egoshooter mit Dual Stick Controller so spielt. Um das zu bekommen, wählt im Optionsmenü des Spiels zuerst die Methode 1.2 Solitaire aus. Die Buttonbelegung ist dann soweit ok, bis auf die Tatsache, dass ihr nun mit dem rechten statt dem linken Analogstick James Bond bewegt. Um das zu ändern müsst ihr in das Switch-Konfigurationsmenü der Konsole selbst gehen. Hier findet ihr nämlich unter den Einstellungen auch die Möglichkeit, die Button-Belegung des Pro Controllers frei zu konfigurieren. Vertauscht hier die Funktionen des linken und rechten Analogsticks und speichert die Einstellung als eigenes Kontrollschema ab. Ein kleiner Tipp: Ihr findet im Netz einige Videos, die euch Schritt für Schritt zeigen, was zu tun ist.
Einmal die Steuerung richtig eingestellt, kann der Spaß beginnen. Und ja, das Spiel macht Spaß wie eh und je. Das Missionsdesign ist weiterhin hoch motivierend. Und dadurch, dass das Spiel nun auch flüssig läuft und die Texturen hochauflösender sind, ist das Erlebnis gleich noch eine Ecke besser. Letztendlich ist es natürlich nur eine leicht aufgebohrte Version des Originals. Erwartet also keine grafischen Wunder. Was allerdings auffällt, ist der doch knackige Schwierigkeitsgrad selbst auf der untersten Stufe. Vor allem, da man jede Mission nach James Bonds Ableben wieder ganz von vorne beginnen muss, auch wenn man quasi bei der letzten Aktion des Levels stirbt. Das würde mich bei einem modernen Game wahrscheinlich zu arg frustrieren. Denn zumindest ich sterbe in Goldeneye unweigerlich immer wieder mal. Aber hier hilft die tolle Funktion bei Nintendo Switch Online, dass man in Retro Games jederzeit speichern kann, auch wenn das Spiel selbst das eigentlich gar nicht vorgesehen hat.
Der Multiplayer ist vollumfänglich wieder dabei. Ihr könnt weiterhin mit drei Freunden im Splitscreen in verschiedenen Modi, mit unterschiedlichen Regeln und Waffen gegeneinander antreten. Neu und exklusiv für die Switch ist, dass dies nun auch online geht! Erwartet hier allerdings keine vollständigen Onlineservices mit Matchmaking etc. Im Prinzip wurde hier einfach der Splitscreen-Modus ins Netz verfrachtet. Ihr braucht 1, 2 oder 3 Freunde, um gegeneinander spielen zu können. Und wenn ihr mit ihnen online ein Match startet, ist euer Bildschirm genauso geteilt, als wenn ihr nebeneinander auf der Couch sitzen würdet. Aber darum geht es bei Goldeneye ja, und genau das hat bei dem Multiplayer ja auch immer so viel Spaß gemacht. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Die Schadenfreude, das Glückgefühl, der zeitweilige Frust – alles ist sofort wieder da, sobald ihr in den Multiplayer einsteigt.
Danke Nintendo für diesen abermaligen, exzellenten Nostalgieflash. Und nun stürze ich mich mit Metroid Prime Remastered in den nächsten Retroflash. Und wer weiß, vielleicht inspiriert mich das Spiel auch zu einem weiteren, etwas anderen Review.
Gunnar meint:
Goldeneye gilt völlig zurecht als Meilenstein der Videospielgeschichte. Schließlich ist es bis heute eine der besten Kinoblockbuster-Adaptionen überhaupt, hat die Blaupause für Egoshooter auf Konsolen geliefert und besticht immer noch durch ein tolles Missionsdesign und einen wegweisenden Multiplayer. Natürlich hat auch bei Goldeneye der Zahn der Zeit etwas genagt. Aber durch die flüssigere und hochauflösendere Darstellung und der guten Steuerung (wenn man die einmal richtig eingestellt hat), ist das Spiel auch heute noch nicht nur für Nostalgiker wie mich mehr als empfehlenswert.
Grafik
Sound
Steuerung
Spielspaß
Release
Developer
Publisher
USK
Rare
Nintendo
Singleplayer
Multiplayer
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