Spiel dich schlau!
Schon lange wissen wir, dass man seinen Körper trainieren muss, wenn er möglichst lange halten soll. Um körperliche Fitness zu erreichen gibt es Studios, Trainer, Sportvereine, Heimtrainer, Ring Fit und vieles mehr. Aber was nützt ein gestählter Körper, wenn ganz oben nicht viel los ist? Die Geschichte hat zwar schon mehrfach bewiesen, dass man nicht schlau sein muss, wenn man viel erreichen will – aber wer geht schon gerne als dummer Clown in die amerikanische Geschichte ein?
Das hat auch Nintendo vor 13 Jahren schon erkannt und mit Dr. Kawashima zusammen eine Software entwickelt, die die geistige Fitness trainiert. Nun ist ein Nachfolger von Gehirn-Jogging auf der Nintendo Switch angekommen. Das Spiel, das auf den Forschungen des erwähnten Doktors basiert, stellt uns verschiedene Aufgaben, die dazu beitragen können, die Leistungsfähigkeit des Gehirns zu erhalten oder sogar zu verbessern. Ausgehend von der These, dass das menschliche Gehirn im Alter von 20 Jahren am leistungsfähigsten ist, geht es auch darum, im Alterstest immer wieder zu beweisen, welches geistige Alter man tatsächlich hat und wie weit man damit (hoffentlich positiv) vom tatsächlichen Alter entfernt ist.
Also geht es hier nicht wirklich darum, durch das Spiel schlau zu werden – das schafft ja fast jedes Spiel. Es geht darum, gewisse Regionen zu stimulieren, damit sie besser funktionieren. Damit soll man dann alltägliche Aufgaben schneller und einfacher durchführen können, zum Beispiel Kopfrechnen oder sich Dinge merken. Und das geht so:
Arbeit für das Hirn
Zu Beginn gibt es nur ganz wenige Aufgaben, aus denen man das tägliche Training zusammenstellen kann. Wenn man diese jedoch regelmäßig macht, bekommt man dafür Stempel. Ab einer gewissen Anzahl Tagen mit Stempel werden neue Aufgaben freigeschaltet. Hier mal ein paar Beispiele:
Rechnen 25: Es geht darum, 25 einfache Rechenaufgaben mit den Operanden plus, minus und mal zu lösen und die Antwort hinzuschreiben. Später kommt auch noch eine Variante mit 100 Aufgaben dazu. Man muss also so schnell wie möglich rechnen, das Ergebnis hinschreiben und sich dann der nächsten Aufgabe widmen.
Doppelherausforderung: Hier geht es darum, im unteren Bereich die Zahl mit dem jeweils höchsten Wert anzutippen und im oberen Bereich einem Läufer dabei zu helfen, über Hürden zu springen. Man muss also zwei Dinge gleichzeitig tun und damit das Gehirn dazu anregen, trotz Konzentration auf eine Sache, weiter die Umgebung im Auge zu halten.
Wörter finden: Es drehen sich anfangs vier, später acht Buchstaben im Kreis, die zu einem Wort sortiert werden müssen. Also erst Wort finden und dann so schnell wie möglich aufschreiben. Bei Fehlern gibt es zu Strafe einen Aufschlag auf die Zeit. Die große Schwierigkeit ist hier, schnellstmöglich alle Kombinationen durchzugehen und offen zu bleiben, um das gesuchte Wort schnell zu finden. Das trainiert die Auffassungsgabe und Informationsverarbeitung – bei mir funktioniert das erstaunlich gut, mittlerweile bin ich deutlich schneller geworden.
Personen zählen: In einem Haus befindet sich eine bestimmte Anzahl an Personen. Nun kommen und gehen nach und nach Leute. Es geht darum, aufzupassen und sich nicht dabei zu verzählen, wie viele Leute am Ende der sechs Aufgaben jeweils im Haus sind. Da es immer schneller wird und vieles gleichzeitig passiert, muss man mehrere Dinge im Auge behalten und dazu noch live rechnen. Spätestens, wenn auch Leute durch den Kamin kommen und gehen oder manche auch einfach nur am Haus vorbei gehen, wird es anstrengend.
Zeitung lesen: Man bekommt einen historischen Zeitungsartikel vorgesetzt und muss diesen zweimal laut vorlesen. Gezählt wird die Anzahl Silben, die man pro Sekunde lesen kann. Dabei macht es einen merklichen Unterschied, ob man laut oder nur im Kopf vorliest. Das Spiel selbst sagt, lautes Vorlesen ist besser für das Gehirn-Training. Auch hier merkt man, wie sich das im Laufe der Zeit verändert. Wer sich darauf konzentriert, wirklich genau zu lesen und nicht von Anfang an einfach nur schnell am Ende zu sein, der wird auch Fortschritte bemerken, die sich auch beim stillen Lesen bemerkbar machen.
Zahlen sortieren: Anfang erscheinen vier Zahlen ganz kurz und man muss dann die Felder in der richtigen Reihenfolge antippen. Macht man das richtig, sind es in der nächsten Runde fünf Zahlen, dann sechs, sieben, acht usw. Am Ende wird ausgewertet, wie viele Zahlen man insgesamt richtig gefunden hat. Diese Aufgabe ist richtig übel, da es nicht nur darum geht, die Zahlen zu merken. Man muss es auch schaffen, sie sich so zu merken, dass man die Information anders, nämlich in der richtigen Reihenfolge wieder abrufen kann. Spätestens ab neun gleichzeitigen Zahlen klappt es nicht mehr, die Reihenfolge zu suchen.
Sudoku: Wer es nicht kennt: Hier muss man in einem neun mal neun Felder großen Spielbrett jeweils neun Mal die Zahlen 1 bis 9 eintragen. Dabei darf in jeder Reihe, Zeile und 3 mal 3 Felder großem Bereich jede Ziffer nur genau einmal vorkommen. Hier bietet das Spiel zahlreiche Aufgaben in drei Schwierigkeitsgraden. Das ist ein ganz anderes Training als die anderen Aufgaben. Zwar misst das Spiel auch hier die Zeit, es geht aber mehr um die Lösung selbst. Eine Knobelei, die sich nicht umsonst so großer Beliebtheit erfreut.
Bazillenjagd: Was früher Dr. Mario erledigt hat, müssen wir nun selbst erledigen. Weniger zum Training, sondern eher zur Entspannung muss man hier Bazillen erledigen, indem man die herunterfallenden Tabletten farblich so platziert, dass vier gleiche Farben in eine gerade Linie kommen. Dann verschwinden sie. Auch hier gibt es drei Schwierigkeitsgrade, die man immer so lange spielen kann, bis man scheitert – mit Funktion zum Zwischenspeichern.
Diese und mehr Übungen macht man also, möglichst jeden Tag ein paar davon und nicht immer dieselben. Das Ergebnis wird festgehalten und so sieht man, wie man sich im Laufe der Zeit ggf. verbessert. Bei mir ist Fortschritt immer mal wieder zu erkennen, allerdings nicht immer. Das liegt jedoch nicht ausschließlich an meiner Leistung. Dazu aber später mehr.
Abseits des Trainings
Neben den Stempeln, die man pro Tag und Übung einmal auf dem aktuellen Datum platzieren kann, bekommt man auch nach jeder Übung eine Bewertung, wie gut man ist. Das passiert nach wie vor in Form einer Geschwindigkeit. Während man als Rakete sozusagen Top of the Pops ist, hat man als Fußgängern Verbesserungspotential. Außerdem werden die Ergebnisse in einer Verlaufsgrafik festgehalten, so dass man sieht, ob und wie man sich über die Zeit verbessert hat. Die Kommentare von Dr. Kawashima, der dem Spieler auch die Aufgaben erklärt und Hintergrundwissen zu den einzelnen Aufgaben gibt, sind dabei aber etwas übermotiviert. Bei kleinsten Verbesserungen gibt es tosenden Applaus und eine Lobrede, bei Verschlechterungen kommt ein nüchternes „Ergebnisse sind erstmal zweitrangig“. Bloß nicht die Spieler vergraulen. 😉
Maximal einmal am Tag kann man auch sein geistiges Alter ermitteln. Man bekommt dann drei zufällige Aufgaben in den drei Kategorien Informationsverarbeitung, Selbstkontrolle und Kurzzeitgedächtnis gestellt. Aus den Ergebnissen errechnet das Spiel dann das aktuelle geistige Alter. Die Ergebnisse sind jedoch mehr oder weniger willkürlich. Bei mir schwankt das Alter regelmäßig zwischen 20 und 45 – je nach Art der Aufgaben und Laune des Spiels. Es gibt eine Aufgabe, bei der man sich die Zahlen von 1 bis 25 auf einem Feld merken muss. Dazu hat man zwei Minuten Zeit und danach muss man die Zahlen an der richten Stelle wieder aufschreiben.
Das ist eine für mich verdammt schwere Aufgabe, die dadurch erschwert wird, dass die Handschrifterkennung des Spiels hier manche Eingaben sofort versemmelt. Kommt dagegen die Aufgabe, laut so schnell wie möglich bis 120 zu zählen, dann bin ich auf einmal geistig deutlich fitter. Beim Alterstest fände ich daher einen immergleichen Test besser geeignet.
Schafft man es, nach einer gewissen Anzahl Übungstage einmal, das geistige Alter 20 zu erreichen, dann wird die Aufgabe Arbeitsgedächtnis freigeschaltet. Hier bekommt man ein Symbol gezeigt, tippt auf weiter und bekommt dann das nächste Symbol gezeigt. Zu Beginn muss man immer das einen Schritt zuvor gezeigte Symbol antippen. Wenn man das gut genug macht, kommt man eine Stufe höher, muss dann also jeweils das zwei Schritte zuvor gezeigte Symbol antippen – sich also mehr Symbole merken. Je größer der Abstand wird, desto schwieriger ist die Aufgabe. Die ist richtig fordernd und macht große Spaß – ist allerdings auf drei Versuche am Tag beschränkt. Und bei nicht so guter Leistung fällt man wieder eine Stufe runter.
Letzter Bestandteil des Trainings ist die Gehirn-Jogging Weltmeisterschaft. Diese findet jeden Samstag für 24 Stunden statt und man kann dann vier festgelegte Aufgaben je zwei Mal spielen. Das beste Ergebnis pro Aufgabe wird hochgeladen und ab Montagmorgen gibt es dann die weltweite Rangliste. Je nachdem, in welcher prozentualen Gruppe man sich befindet, bekommt man eine entsprechende Bewertung. Das ist eine sehr coole Idee, die dazu motiviert, immer wieder andere Aufgaben zu machen und sich darauf zu konzentrieren, die Aufgaben direkt richtig zu machen.
Mit Bekanntgabe der Ergebnisse werden nämlich auch immer die vier Wettbewerbe der kommenden Woche benannt, so dass man sich darauf vorbereiten kann. Ich bin hier zwar bisher ganz gut dabei, aber es ist durchaus erschreckend, was die Elite hier so für Ergebnisse erreicht. Ein Beispiel: Bei Rechnen 100 liegt mein Rekord bei etwa 1 Minute und 20 Sekunden, also mehr als eine Rechenaufgabe pro Sekunde. Bei der zweiten Weltmeisterschaft hatte der Gewinner eine Zeit von etwa 40 Sekunden. Ich kann mir nicht vorstellen, wie das gehen soll. Nicht nur wegen dem Rechnen der Ergebnisse – das ginge ja noch. Das Problem ist die Eingabe der Ergebnisse. Das Ergebnis 56 per Handschrift in die Konsole zu bringen, braucht einfach eine gewisse Zeit.
Technik die (manchmal) nervt
Manchmal erkennt das Spiel Dinge auch einfach nicht gut. Ich habe vor allem Probleme mit der Ziffer 8, die immer mal wieder einfach gar nicht erkannt wird. Das kostet bei so einem Spiel sehr wertvolle Zeit – und bringt mich aus dem Konzept, da ich beim Schreiben des Ergebnisses immer schon die nächste Aufgabe rechne. Diese etwas fehleranfällig Erkennung nervt auch beim Alterstest, wie eben schon geschrieben, da man dort keine Chance hat, eine falsch erkannte Zahl zu korrigieren – das System loggt diese sofort ein und im Zweifel ist es ein Fehler, der keiner war.
Zuletzt noch ein paar Worte zu den anderen Übungen. Es gibt nämlich dank IR-Kamera im linken Joy Con auch noch ein paar ganz neue Aufgaben. Bei einer bekommt man über Hände Rechenaufgaben gestellt, also zum Beispiel vier Finger minus zwei Finger und muss das Ergebnis auch mit seinen Fingern in die Kamera halten. Oder man spielt Schwere-Stein-Papier damit. Coole Ideen, die auch recht gut funktionieren und mich zumindest vor ganz neue Herausforderungen stellen. Es ist etwas anderes, 4-2 zu rechnen als vier Finger minus zwei Finger und das dann nicht zu schreiben, sondern zu zeigen.
Daneben gibt es noch drei kompetitive Aufgaben, bei der sich zwei Spieler jeweils einen Joy Con schnappen, und gleichzeitig eine Aufgabe lösen müssen. Zum Beispiel Vögel zählen, was unter Zeitdruck schwerer ist, als es jetzt klingt. Oder vorgegebene Fahnenrichtungen nachmachen. Hier bleibt das Spiel aber hinter seinen Möglichkeiten zurück. Mit nur drei Aufgaben für die IR-Kamera und Einzelspieler und drei Aufgaben für zwei Joy Cons und Duelle ist die Luft schnell raus. Warum nicht auch mit zweiter IR Kamera solche Duelle einbauen? Oder noch ein paar weitere Zähl- oder Schätzaufgaben?
Damit ist und bleibt Dr. Kawashimas Gehirn-Jogging auch auf der Switch primär ein Spiel für einen Spieler mit dem Fokus auf das täglichen Training des eigenen Gehirns. Diesen Job macht es aber gut. Durch die Vielzahl an Aufgaben, die Übung Arbeitsgedächtnis und die wöchentliche Weltmeisterschaft hält es lange bei der Stange Ich bin jetzt schon im seit fast zwei Monaten dabei und mache es immer noch fast täglich und immer gerne. Gerade für Zwischendurch ist es die perfekte Lösung, um kurz etwas zu tun. Ganz anders als das körperliche Training, das echt Zeit kostet. Wären mehr Aufgaben für zwei Spieler dabei und wäre die Handschrifterkennung noch etwas zuverlässiger, dann gäbe es darüber hinaus auch nichts zu meckern. So muss man hin und wieder etwas Frust aushalten. Das stärkt aber ja die eigene Persönlichkeit, ist also auch nicht schlimm.
Matthias meint:
Wer seinen Deckapparat fit halten möchte, dem kann ich Gehirn-Jogging sehr empfehlen. Vielleicht schicke ich mal ein Exemplar ins weiße, ach ne, lassen wir das – bringt eh nix.
Grafik
Sound
Steuerung
Spielspaß
Release
Developer
Publisher
USK
03.01.2020
Nintendo
Nintendo
0
Singleplayer
Multiplayer
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