
Eine Entscheidung aus dem Bauch heraus.
Eigentlich mag ich 2D Jump & Runs nicht wirklich und ich bin auch kein großer Freund von Metroidvanias – von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen. Trotzdem hat es mir Ori and the Will of the Wisps gleich angetan. Das Spiel der Moon Studios ist die Fortsetzung von Ori and the Blind Forest und vor kurzem auch auf der Switch veröffentlich worden. Mal sehen, obdas eine gute Entscheidung war…
Ich schlüpfe in die Rolle von Ori, einem Waldgeist, der zu Beginn ein Eule findet, die nicht fliegen kann. In der sehr emotionalen Anfangssequenz helfen Ori und seien beiden Freunde aus dem ersten Teil der Eule dabei, den verletzten Flügel zu überwinden und doch fliegen zu können. Voller Übermut fliegen die Eule und Ori los – und geraten in einen schlimmen Sturm, der die beiden getrennt abstürzen lässt. Oris Ziel ist es nun, seine Freundin wiederzufinden und mit ihr nach Hause zu gelangen. Doch das ist nur der Anfang der Geschichte, ultimativ geht es darum eine Welt vor dem Untergang zu retten und dazu muss er viel lernen.
Mehr Möglichkeiten als man sich vorstellen kann…
Zu Beginn kann Ori noch nicht viel mehr als Laufen und Springen und kommt so seinem Ziel nur mühsam näher. Er kann sich nicht mal gegen Gegner zur Wehr setzen. Doch das ändert sich schnell. An Lichtbäumen erhält er zahllose neue Fähigkeiten, die seine Möglichkeiten deutlich erweitern. Mittels Doppelsprungs erreicht er neue Höhen, kann sich irgendwann im Sprung nach vorne katapultieren, an Wänden kleben bleiben, gewisse Gegenstände als Sprunghilfe benutzen, sich durch Sand graben, Lichtpfeile schießen, durch die Luft gleiten, Wind machen, Dinge zu sich ran ziehen und vieles mehr. Die Möglichkeiten sind schier grenzenlos und wie es sich für ein Metroidvania gehört, gibt es viele Stellen, die man zunächst nicht erreichen kann, so dass man später wiederkommen muss, wenn man die benötigte Fähigkeit hat.
Neuerungen im zweiten Teil sind vor allem die zahlreichen optionalen Nebenaufgaben, die von Charakteren auf der Map vergeben werden. Schafft man diese, bekommt man dafür Belohnungen wie seltene Items, mehr Herzen oder mehr Energie. Hat man keine Herzen mehr, muss man am letzten Rücksetzpunkt neu anfangen und die Energie braucht man zum Beispiel für die Lichtpfeile und andere Dinge. Neu sind auch die Gegner, sowohl normale als auch Endgegner gab es im Vorgänger noch nicht. Die bringen noch mehr Abwechslung in das ohnehin schon extrem variantenreiche Gameplay. Und es gibt auch Passagen, in denen man vor quasi unschlagbaren Gegner fliehen oder sich vor ihnen verstecken muss.
Unterm Strich ist das Gameplay unfassbar gut und das Spiel von dieser Seite her mit das Beste, was ich jemals gespielt habe. Die Ideen sind teils grandios und man selbst muss als Spieler oft sehr kreativ werden, um die ganzen Möglichkeiten so zu kombinieren, dass man weiterkommt.
…aber:
Nur leider gibt es ein großes ABER bei der ganzen Sache. Es ist nämlich stellenweise einfach zu viel. Man wird als Spieler nicht wirklich an die Hand genommen und verliert so leicht den Überblick. Ich stand ziemlich oft kurz vor de auf der Karte angezeigten Ziel, kam aber einfach nicht weiter. Und dann wird es kompliziert! Liegt es daran, weil ich einfach nicht raffe, was zu tun ist? Oder fehlt mir einfach noch eine Fähigkeit, um hier weiterzukommen? Oder bin ich gerade gar an einer ganz falschen Stelle und muss erst etwas anderes tun? Versteht mich nicht falsch, ich mag es durchaus, wenn man auch mal nachdenken muss. Aber bei Ori and the Will of the Wisps hat man einfach so unfassbar viele Möglichkeiten, dass man sich darin total verlieren kann. Das hat mir zwischenzeitlich total die Laune am Spiel verdorben.
Insgesamt drei Mal musste ich etwa eine Woche Pause machen, bevor ich wieder Lust hatte. Einmal war es ganz schlimm. Nach viel Herumprobieren kam ich an ein Tor kurz vor einem von fünf Zielen, die man erreichen muss. Und dann sagt mir das Spiel: „Ätsch, hier darfst du erst weiter, wenn du die anderen vier Ziele erreicht hast!“. Das nervt! Vor allem, weil der Weg dahin alles andere als leicht war. Und nun wusste ich, dass das Erfolgserlebnis, das ich kurz zuvor noch hatte, eigentlich gar nichts wert war. Ich muss da irgendwann nochmal durch. Doch dann entdeckte ich einen Speicherpunkt kurz vor diesem Tor – also zum Glück doch nicht ganz so schlimm. Aber trotzdem doof.
Etwas mehr Hilfe wäre nett gewesen, so ist bei mir nur unnötig Frust aufgekommen. Den hatte ich eh schon oft genug, wenn ich schwere Passagen zu meistern hatte und es teilweise 20 oder mehr Mal versuchen musste, bevor es geklappt hat – obwohl ich im geringsten Schwierigkeitsgrad spiele. Nicht auszudenken, ich hätte mir etwas mehr zugetraut. Also: Spielerisch eine Bombe, aber leider mit einigen Problemen durch eine zu große Welt, zu wenig Führung und zu viele Möglichkeiten.
Malerische Atmosphäre
Dafür ist die Technik bombastisch. Die melancholische Story wird durch die Optik und die akustische Untermalung perfekt eingefangen. Dazu gibt es viel Abwechslung mit Schneelandschaften, einer Wüste, einem Sumpf, einer viel zu düsteren Höhle und mehr. Die Geschichte wird toll erzählt, gerade der Anfang mit der wunderbaren Freundschaft die entsteht macht den Verlust von Ori sehr glaubhaft und lässt den Spieler mitfühlen. Und wie gesagt, das ist nur der Anfang einer sehr viel tiefgängigeren Geschichte. Stets begleitet wird man von atmosphärischen Klängen, die jederzeit perfekt passen.
Die Steuerung ist ebenfalls eine Meisterleistung, wenn auch durch die vielen Möglichkeiten ziemlich überladen. Manche Tasten haben drei verschiedene Funktionen, je nach aktueller Situation. Doch das überfordert nur selten, da man nach und nach neue Möglichkeiten bekommt und so immer Zeit hat, sich daran zu gewöhnen. Problematisch ist es höchstens, dass man gewisse Dinge vergisst, weil man sie lange nicht gebraucht hat – und dann verzweifelt, wenn man sie wieder braucht, aber gar nicht mehr weiß, dass man sie jemals hatte. Wie gesagt: Es ist leider insgesamt einfach zu viel.
Mario meint:
Trotzdem kann ich Ori and the Will of the Wisps extrem empfehlen – vor allem wenn man nicht so schnell verzweifelt, wie ich das gerne tue. Ich suche nicht immer die schwerste Herausforderung, sondern möchte vor allem unterhalten werden und Spaß haben. Und auch das bietet der Titel die allermeiste Zeit!
Und die Spielzeit ist lang. Beim ersten Durchgang kann man es kaum unter 20 Stunden schaffen, will man alle Nebenaufgaben lösen, dann kommen nochmal 5-10 Stunden drauf. Das ist eine ganze Menge Spiel fürs Geld. Wenn euch das Geschriebene zusagt, dann gebt euch einen Ruck und schlagt zu. Man muss den Vorgänger nicht unbedingt gespielt haben, aber empfehlenswert ist der auf jeden Fall auch – vor allem, weil er kleiner und kompakter ist. Unterm Strich eine Reihe, die eure Zeit auf jeden Fall verdient hat.
Grafik
Sound
Steuerung
Spielspaß
Release
Developer
Publisher
USK
17.09.2020
Moon Studios
iam8bit
12
Singleplayer
Multiplayer
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