Apokalypse Now!
Wir befinden und am Ende des 21. Jahrhunderts – und die Menschheit steht ebenso kurz vor ihrem Ende. Vor ein paar Jahren haben so genannte Chimären aus einer anderen Dimension die Erde angegriffen und entführen Menschen in ihre Dimension. Die Menschheit hat durch die Angriffe quasi die gesamte Erde verloren und sich auf eine künstliche Insel zurückgezogen. Dort hatte sie eine Weile Ruhe, aber jetzt greifen die Chimären auch dort an. Doch zum Glück ist es den Menschen gelungen, endlich eine wirksame Waffe gegen die sonst unbezwingbaren Feinde zu entwickeln.
Mithilfe einer mysteriösen Kette können gefangene Chimären gefügig gemacht und von einem Menschen kontrolliert werden. Mit einer Chimäre an der Leine haben sie endlich eine Chance im Kampf. Zu dem aus drei so genannten Legions bestehenden Team kommt zu Beginn des Spiels ein Zwillingspaar hinzu, dessen Vater zufällig der Captain dieses Teams ist.
Der Spieler wählt einen der beiden Zwillinge, muss sich also zwischen einem Mann und einer Frau entscheiden. Der nicht gewählte Zwilling trägt dann immer den Namen Akira. Das macht die Vertonung wohl etwas leichter. Dieser NPC bekommt dann auch einige Sprecheinsätze, während der eigene Charakter stumm bleibt. So spielt sich die Handlung je nach gewähltem Charakter etwas anders ab, da jeder der beiden ein paar Sachen anders macht und somit auch andere Sachen passieren. Aber das nur am Rande.
Und wie verhindern wir den Weltuntergang?
Nachdem die beiden ihren Legion bekommen haben, treten sie dem Team bei und nun kämpfen also schon fünf Menschen für das Überleben der gesamten Spezies. Doch natürlich geht relativ schnell etwas schief, so dass nur der Spieler seinen Legion behält und somit die einzige Hoffnung der Menschheit ist. So entfaltet sich die Geschichte nach und nach. Man erfährt, was es mit den Chimären auf sich hat, taucht in Rückblenden in die Vergangenheit des Teams ein, versteht, was die Figuren wirklich antreibt und was es mit allem auf sich hat.
Und immer, wenn man gerade das Gefühl hat, die Welt einigermaßen verstanden zu haben, wird wieder irgendwas offenbart, das alles auf links dreht. Das ist wirklich gut gemacht und so hält das Spiel mit der Story schon mal sehr gut bei Laune. Die mysteriöse Welt ist in sich schlüssig und spannend aufgebaut. Auf jeden Fall schon mal ein großer Pluspunkt des Spiels.
Der zweite ist das Gameplay, das viel abwechslungsreicher ist, als ich vorher angenommen habe. Ich habe mich aber auch ehrlicherweise bewusst vorher nur wenig Material angesehen, um mich möglichst überraschen zu lassen und es so gut wie möglich zu genießen. Das Gameplay von Astral Chain lässt sich in zwei sehr verschiedene Blöcke einteilen: Ermittlung und Kämpfe. Diese beiden Blöcke kommen in den Kapiteln des Spiels im Wechsel vor, so dass es theoretisch nicht langweilig wird.
Zu Beginn eines Kapitels wird das Team üblicherweise an einen Ort gerufen, an dem etwas passiert ist. Durch Befragung der Leute, Sammeln von Informationen aus Überwachungskameras und Kombinieren von Indizien muss man dann herausfinden, was vorgefallen ist. Das läuft so ab, dass im Gespräch mit den Menschen, die man mit Hilfe seiner für die Menschen unsichtbaren Legion auch aus sicherer Entfernung belauschen kann, besondere Schlagworte fallen. Diese rot markierten Worte wandern dann in die Notizen des Falls.
Ein Fortschrittsbalken zeigt an, wie viele Hinweise man noch finden muss. Aber Achtung, es gibt auch nutzlose Hinweise, also Antworten, die zwar wichtig erscheinen, es aber nicht sind. Bei der Suche hilft auch das IRIS. Dabei handelt es sich um ein Augmented Reality Gerät, dass die Umgebung mit Informationen anreichert. So sieht man zum Beispiel bestimmte Daten, wie Alter, Größe und Gewicht von Menschen und bekommt wichtige Punkte in der Umgebung angezeigt. Mit dabei auch Überwachungskameras, die man mit Hilfe seiner Legion hacken kann, um dann via IRIS die Bewegung der relevanten Personen direkt in der Umgebung sehen zu können. So lassen sich Spuren verfolgen und neue Hinweise finden.
Hat man alle gefunden, unterhält man sich mit seinen Kollegen, um das Rätsel zu lösen. Im Gespräch kommen Fragen hoch, die man beantworten muss. Nach diesem Gespräch ist klar, was passiert ist und man kann sich der Lösung des Problems widmen. Das sind dann die Kämpfe. Sei es in der Welt der Menschen oder in der der Chimären. Anfangs ist das Team zwar noch etwas zurückhaltend, die Portale in die fremde Welt zu durchschreiten, aber diese Vorbehalte verschwinden recht bald. Da die Chimären gerne Menschen entführen, muss das Team hin und wieder hinterher und versuchen, diese zu retten.
Vielseitige Möglichkeiten dank Legions
Aber unabhängig davon, wo der Kampf stattfindet, hier zeigt das Spiel eine seiner Stärken. Ähnlich wie bei Bayonetta kann von außen betrachtet der Eindruck entstehen, dass das Kampfsystem eher simples Button-Mashing ist – aber das Gegenteil ist der Fall. Aber dazu muss ich etwas ausholen. Wie schon gesagt verlieren die vier Teammitglieder des Spielers am Anfang ihre Chimären. Der Spieler findet diese jedoch nach und nach und kann sie erneut fesseln und damit die Kontrolle übernehmen. So hat man irgendwann Zugang zu den fünf Legions des gesamten Teams. Und jede davon hat bestimmte Fähigkeiten, die man in- und außerhalb der Kämpfe einsetzen muss, um erfolgreich zu sein.
Die Schwert-Legion kann zum Beispiel mit der Kette Gegner fesseln oder Verbindungen zwischen Gegnern kappen. Diese Verbindungen sorgen sonst dafür, dass die Gegner einen Schutz gegen Angriffe haben. Die Pfeil-Legion kann, wie der Name schon vermuten lässt, Pfeile abschießen und so auch fliegende Ziele angreifen. Und mit Hilfe der Arm-Legion lassen sich schwere Gegenstände hochheben und nach den Gegnern werfen. Das mal nur als kurzer Einblick in die Kämpfe. Die Gegner erfordern teilweise sehr unterschiedliche Strategien und man muss sich gut überlegen, wie man den Kampf angeht, wenn man erfolgreich sein will. Hier wird es auf keinen Fall langweilig.
Aber auch außerhalb der Kämpfe braucht man die vielseitige Hilfe der Legions. Hier kommt zum Beispiel die Bestie ganz groß raus. Sie kann nämlich die Fährte von Menschen oder Dingen aufnehmen und sie so aufspüren. Dinge ausgraben kann sie auch noch und auf ihr reiten kann man auch. Ebenso hilfreich ist die Arm-Legion, mit der man schwere Tore oder blockierte Wege öffnen kann oder die Pfeil-Legion die mit Hilfe der Pfeile weit entferne Schalter aktiviert. All das setzt man ein, um nach und nach die Rätsel zu lösen und zu verstehen, was in der Welt eigentlich wirklich abgeht. Dabei helfen auch die zahlreichen Nebenaufgaben. So ist es ohne weiteres möglich, durch jedes Kapitel einfach nur linear durchzugehen. Oder aber man hält die Augen nach Nebenaufgaben auf der Karte offen und erfährt so sehr viel mehr über die Welt und die Menschen.
In blauen Aufträgen muss man Menschen helfen, zum Beispiel das Essen einer Ehefrau zu ihrem Mann bringen, ein verlorenes Kind suchen oder mit einer Gruppe Kinder verstecken spielen. Dafür bekommt man nicht nur nützliche Items sondern oft auch Informationen. Es empfiehlt sich also, die Augen offen zu halten. Bei roten Aufträgen warten in der Regel Kämpfe auf den Spieler. Sei es, um eine entführte Person zu befreien oder einfach nur, um ein Portal zu schließen. Für das Lösen dieser Aufträge bekommt man ebenso Items oder auch Dinge, die man zum Weiterentwickeln der Legions braucht.
Jede einzelne Legion hat einen eigenen Entwicklungspfad, den man nach und nach freischalten kann. Dadurch verbessern sich die Werte der Legion und es öffnen sich neue Möglichkeiten. Zum Beispiel in Form von Slots, die man mit Spezialangriffen belegen kann. Diese sind dann im Kampf auf Knopfdruck einsetzbar. Ihr seht: Es gibt viel Abwechslung und viel zu entdecken. Und dabei habe ich so Dinge, wie die Fotokamera oder die einzusammelnde rote Materie noch gar nicht erwähnt. Doch obwohl es so viel gibt, ist nicht alles Gold was glänzt, doch zunächst ein paar Worte zur Technik und Steuerung.
Wie spielt es sich und wie sieht es aus?
Das schon beschriebene, recht komplexe Gameplay führt dazu, dass man relativ viele Tasten braucht. Trotzdem geht es recht leicht von der Hand. Den eigenen Charakter steuert man mit dem linken Stick, Interaktionen liegen meist auf der A-Taste und Angriffe werden mit ZR ausgelöst. Die Legions steuert man per ZL und dem rechten Stick und setzt bei gedrückt gehaltener ZL-Taste per X oder Y die Spezialfähigkeiten ein. Durch einen Druck auf die L Taste im Kampf lassen sich die Spezialfähigkeiten der Legions auslösen, also zum Beispiel das Durchtrennen von Verbindungen oder das Abschießen von Pfeilen. Da das alles aber nach und nach eingeführt und im Trainingsraum bei Bedarf auch gut erklärt wird, hat es mich nie gestört oder überfordert. Es fühlt sich alles irgendwie logisch und richtig an.
Technisch ist das Spiel leider nicht ganz so sauber. Im Handheld-Modus fällt das zwar nicht so sehr auf, aber gerade auf großen Fernsehern werden die Schwächen der Grafik offensichtlich. Und trotz der teils wenigen Details ist die Framerate nicht immer stabil. Aber versteht mich nicht falsch: Astral Chain sieht trotzdem gut aus und hat mir optisch durchaus gefallen. Jedoch wird jemand, der großen Wert auf die Grafik liegt, vermutlich wenig glücklich mit dem Spiel!
Ganz anders die Akustik. Sowohl die Musik, also auch Sounds und Sprachausgabe sind top. Die Musik ist abwechslungsreich, spannungsgeladen und untermalt das Geschehen absolut top. Explosionen, Kampfgeräusche und die ganze Umgebung kommt super rüber, egal ob auf dem Handheld, mit Kopfhörern oder via Soundanlage. Die sehr gute Sprachausgabe rundet das Erlebnis der Ohren ab. Etwas schade ist nur, dass man nur eine der beiden Hauptstimmen zu hören bekommt, da der eigene Charakter stumm bleibt. Man muss also einmal mit Mann und einmal mit Frau spielen, um in den Genuss von beiden zu kommen.
ABER!
Und bevor ich nun zum Fazit komme, muss ich noch ein großes ABER loslassen. Denn obwohl die Story spannend und durchaus auch positiv überraschend ist sowie die technische Seite gut umgesetzt ist, wollte bei mir der Funke lange Zeit nicht überspringen. Am Anfang war ich aufgrund meiner hohen Erwartungen an das Spiel noch sehr geblendet und mir war in den ersten drei Kapiteln gar nicht bewusst, wie wenig eigentlich passiert. In Kapitel 4 ist mir dann das erste Mal aufgefallen, dass sich irgendwie alles immer nur wiederholt und in der Geschichte kaum etwas passiert ist.
Bis dahin habe ich immer brav alle roten und blauen Aufträge gemacht, die ganze rote Materie gesammelt, Menschen vom Rotschub geheilt und, und, und. Dann wurde mir das auf einmal zu blöd und ich fing an, das Spiel langweilig zu finden. Doch zum Glück hielt diese Phase nur kurz an, da ab Kapitel 6 so richtig der Bär steppt und mich die Story wieder so mitgerissen hat, dass ich am Ende so motiviert war, es direkt nochmal mit dem Mann zu spielen. Aber im Prinzip rettet die Story ein leider in Summe nur leicht überdurchschnittliches Gameplay.
Und das liegt nicht daran, dass es schlecht gemacht wäre oder keinen Spaß machen würde. Das Problem sind die viel zu langen Kapitel. Wenn man erst eine Stunde ermittelt, dann ein paar Kämpfe bestreitet, danach wieder eine halbe Stunde ermittelt und zum Schluss noch ein fetter Bosskampf kommt, dann ist bei dem schon die ganze Luft raus. Zwar sind die Bosse allesamt wirklich episch und genial wie immer bei Platinum-Spielen, aber es passiert auf dem Weg dahin einfach zu wenig. Zumindest in den ersten fünf Kapiteln.
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Mario meint:
Unterm Strich ist Astral Chain aber trotzdem ein wirklich gutes Spiel mit einer großartigen Idee, einer spannenden Geschichte und abwechslungsreichem Gameplay mit starken Ähnlichkeiten zur Bayonetta-Reihe. Es gibt viel zu entdecken und erleben, aufgrund der zwei Hauptcharaktere lohnt sich ein zweiter Durchgang und die Kombi aus Mensch und Legion macht echt großen Spaß. Wenn die Levels nur etwas knackiger wären und die Geschichte schon am Anfang weiter im Vordergrund wäre, dann wäre es wirklich perfekt. So es ist „nur“ sehr gut. Also: Es lohnt sich auf jeden Fall, Astral Chain zu spielen, ihr müsst euch aber im Zweifel darüber im Klaren sein, dass es hier und da trotz nur etwa 20 Stunden Spielzeit sehr zäh wird. Wen das nicht erschreckt, der wird ne Menge Spaß haben, so wie ich übrigens auch.
Grafik
Sound
Steuerung
Spielspaß
Release
Developer
Publisher
USK
30.08.2019
Platinum Games
Nintendo
16
Singleplayer
Multiplayer
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