Autor: Mario Kablau
Sperriger Name, aber ein gelungenes Spiel!
Der Launch des Nintendo 3DS ist unterm Strich doch eher enttäuschend gelaufen. Von Nintendo gab es gerade mal zwei Spiele, beides keine Systemseller. Und wenn man nicht gerade ein Fan von ganz speziellen Genres ist, dann hat man auch darüber hinaus kaum Gründe gefunden, den neuen Handheld direkt zum Start zu kaufen. Dachte ich zumindest, denn ein Spiel in einem vergleichsweise beliebten Genre ist nämlich doch dabei, das den Kauf absolut recht fertig. Anders als beim Remake von Splinter Cell handelt es sich bei Ghost Recon für die 3D-Konsole um eine komplette Neuentwicklung, die für mich nach dem ausführlichen Test bisher das beste Spiel im Angebot ist.
Allerdings müssen sich Fans der schon fast 10 Jahre alten Reihe darauf einstellen, dass Shadow Wars kein Taktik Shooter aus der Ego-Ansicht ist, sondern ein Runden basiertes Strategiespiel, quasi Fire Emblem in der modernen Zeit. Gerade auf einer mobilen Konsole mit berührungsempflindlichen Bildschirm macht dieses Genre natürlich Sinn und darüber hinaus eignet sich die Reihe vorzüglich für diese Art von Spiel. Okay, der Touchscreen wird zwar gar nicht verwendet, aber auch das macht das Spiel nicht schlecht. Sogar die Entwicklung bei Ubisoft in Bulgarien hat nicht dafür gesorgt, dass es unspielbar wurde, im Gegenteil. Mit reichlich Selbstvertrauen im Rücken, den sich die Entwickler mit Perlen wie Rayman Ravings Rabbids für PC und Mac sowie Chessmaster für den DS auch mehr als verdient haben, machten sie aus Ghost Recon das Bestmögliche. Zur Klarstellung: nur der letzte Halbsatz ist nicht mit einem Augenzwinkern zu lesen.
0815-Plot mit mehr Inhalt als man denkt!
Russland will mal wieder zu alter Stärke zurückfinden und scheint das dank einem machthungrigen aber beliebten General auch zu schaffen. Daher reisen die Ghosts nach Osteuropa und stellen sich der Anfangs noch gar nicht so offensichtlichen Agenda der alten Supermacht. Obwohl die Story nicht sonderlich kreativ ist, weiß sie doch zu unterhalten, denn es passieren unterwegs einige Dinge, mit denen man im Vorfeld nicht rechnen würde. Auch überzeugt die schiere Länge der Handlung, ich war schon irgendwie verwirrt nach 8 Missionen erst bei 5 Prozent angekommen zu sein. Da es jederzeit spannend ist und die Macher es auch verstanden haben, das Gameplay eingängig und abwechslungsreich zu gestalten, bleiben inhaltlich quasi keine Wünsche offen. Neben der Kampagne gibt es auch diverse Kampfmissionen, die unabhängig von der Rahmenhandlung ablaufen, aber zur Verbesserung des eigenen Rangs beitragen können. Langweilig wird es mit dem Spiel so schnell also nicht.
Aber auch spielerisch hat Shadow Wars mehr als genug zu bieten. Anfangs lernt man die Truppe zwar nur relativ gemächlich kennen, dies ist aber durchaus sinnvoll, da bis weit ins Spiel hinein noch Neuerungen hinzukommen und man so nie überfordert ist. Je nach Ziel der Mission muss man mal alle Gegner ausschalten, mal eine Stellung verteidigen, mal einen Konvoi an der Durchfahrt hindern, mal Gefangene befreien, mal eine Basis infiltrieren usw. Die Vielfalt ist riesengroß, so dass trotz des großen Umfangs keine Monotonie entsteht. Nachdem man gelernt hat, wie sich die Charaktere per Steuerkreuz über die in quadratische Felder eingeteilte Spielumgebung bewegen lassen, erfährt man nach und nach mehr über Angriffe, Taktik und andere Dinge.
Während man zu Beginn mit der Holzhammer-Methode noch Erfolg haben kann, muss man später wesentlich bedachter vorgehen. So ist die Positionieren der Figuren in jedem Zug entscheidet, da zum Beispiel bei einem gegnerischen Angriff auf ein Mitglied der Truppe in der Nähe stehende Verbündete zum Gegenschlag ausholen. Auch bekommt jeder Charakter im Laufe der Zeit verschiedene Waffen, die man geschickt einsetzen muss. So helfen Granaten bei Gegnern, die sich hinter einer Mauer verstecken, während ein Scharfschützen Gewehr logischerweise eine direkte Sichtlinie zum Ziel benötigt. Doch die Auswahl ist noch wesentlich größer, das würde hier aber den Rahmen sprengen.
Später im Spiel hat man auch die Wahl, welche Mitglieder im Team man mit nimmt, da nicht immer Platz für alle sechs ist. Je nach Mission macht mal die Kampfmaschine Richter mehr Sinn und mal der Scharfschütze Haze, wohingegen man auf Sanitäterin Saffron nur in Ausnahmefällen verzichten sollte. Natürlich lässt sich pro Charakter auch die Ausrüstung auswählen, die er dabei hat. Zusätzlich erhält man in bestimmten Missionen auch Zugriff auf Befehlskräfte. Wenn man eine feindliche Basis eingenommen hat, bekommt man dafür jede Runde Befehlspunkte und diese kann man einsetzen, um zum Beispiel einen Luftschlag zu ordern oder einen Charakter in einer Spielrunde ein weiteres Mal ziehen lassen zu können. Basen, die der Gegner in Besitz hält geben ihm Punkte, was man möglichst unterbinden sollte, da er so zum Beispiel Nachschub an Soldaten anfordern kann.
Zu guter letzt gibt es auch noch Power Punkte für die Spielfiguren, die sie nach jedem Zug und je nach Aktion in der letzten Runde erhalten. Bei 100 Punkten schaltet man eine besonders kraftvolle Attacke frei, die den Spielablauf entscheidend beeinflussen kann. Tötet man einen Gegner dann bekommt man mehr Punkte als für eine Heilung oder einen normalen Angriff. So kann man taktieren, in welcher Reihenfolge man zuschlägt um möglichst die optimale Ausbeute an Punkten herauszuholen. Denn, einmal bei 100 angekommen, sammelt die Spielfigur erst dann wieder Punkte, wenn die Attacke eingesetzt und der Punktestand auf 0 zurückgegangen ist. Über die Befehlspunkte kann man übrigens auch noch Power Punkte bekommen.
Und auch das sind noch lange nicht alle taktischen Möglichkeiten, die das Spiel bietet. Im laufe der Zeit kommen weitere Inhalte und Optionen dazu, was zusammen mit den abwechslungsreichen Missionen dazu führt, dass es wirklich niemals langweilig wird. Auch nach 10 oder 20 Stunden nicht. Was will man mehr?
Grafik, Sound und Steuerung!
Die einzige Schwachstelle des Titels ist die Grafik. Irgendwie entsteht nämlich der Eindruck, dass das Spiel ursprünglich für den DS erscheinen sollte und dann aber auf den 3DS verschoben wurde. Grundsätzlich könnte der Vorgänger die Grafik nämlich sicherlich auch darstellen. Vermutlich würde es hier und da weniger Details oder Gegner geben, aber insgesamt nutzt Shadow Wars die Power des neuen Handhelds nicht aus. Das heißt aber nicht, dass das Spiel schlecht aussieht, vor allem dank dem sehr gelungenen 3D-Effekt und vieler abwechslungsreicher Umgebungen und Gegnertypen ist es nett anzuschauen. Es wäre bloß einfach mehr drin gewesen.
Die Musik ist dagegen erstklassig, zumindest qualitativ. Alle Stücke erklingen glasklar durch die Lautsprecher der Konsole und haben mir außerdem noch gut gefallen, da sie nicht zu militärisch sind. Nur die Auswahl ist für meinen Geschmack etwas zu gering.
Die Steuerung per Tasten ist ebenso gelungen. Anfangs habe ich mich noch gefragt, warum wohl der Touchpen nicht zum Einsatz kommt, aber bei der Menge an Optionen wäre das später im Spiel ziemlich frickelig geworden. Außerdem geht es mit den Tasten auch super, nur die lange Scrollwege nerven manchmal ein wenig. Dass man mit dem Schiebepad die Ansicht einfach beliebig verändern kann, hat mir dagegen sehr gut gefallen, so hat man in jeder Situation die perfekte Übersicht.
Vielen Dank an Ubisoft für das Testmuster.